Kolumne
Dipl. Ges. Oec. (FH) Jennifer Ann Steinort
Medizin- und Familienjournalistin
Aktualisiert am 12.05.2025
50 mal angesehen

Liebe Fürsorgenden und Umsorgten,

ich gestehe: Ich bin ein Fan von Bullshit-Bingo. Vielleicht fragen Sie sich jetzt, worum es dabei geht, das verrate ich Ihnen gerne. Das auch als Buzzword-Bingo bekannte Spiel ist eine Abwandlung vom klassischen Bingo. Auch hier gibt es eine Karte, allerdings nicht mit Zahlen, sondern mit abgegriffenen Wörtern, Floskeln oder Phrasen, die sich auf einen bestimmten Bereich beziehen. Bei Arbeitsmeetings können beispielsweise so Schlagwörter wie „Win-win-Situation“ oder „Kommunikationskanäle“ auf der Karte stehen – wer als erstes die Begriffe in einer Reihe, Spalte oder Diagonale zusammenträgt, kann laut „Bingo“ rufen, soweit die Theorie.

Doch wie passt das jetzt mit dem Pflegealltag zusammen? Nun, auch hier gibt es viele Worthülsen, die inflationär gebraucht werden. Wenn Sie Ihren Angehörigen pflegen, kommt bei Ihnen oder Ihrem Gegenüber vielleicht folgendes aus dem Mund: „Ich schaffe das schon alleine“, „Das Essen schmeckt irgendwie komisch“ oder „Das habe früher immer so gemacht“. Na, erkennen Sie irgendwas wieder?

Gefangen im Bullshit? Aber nicht doch!

Bullshit bedeutet so viel wie Unsinn, aber genauso wenig, wie es dumme Fragen gibt, existieren unsinnige Gesprächsinhalte in der Pflege. Der Bullshit ist also eigentlich kein Bullshit, sondern vielmehr ein überstrapaziertes Wort oder ein Satz, der nicht auf den eigentlichen Punkt kommt oder Fragen offenlässt. Zwar können sich pflegende Angehörige tatsächlich in einer Endlosschleife aus Erklärungen, Wiederholungen und Diskussionen wiederfinden, aber in der Regel hat das Gesagte einen Grund. Nehmen Sie das Wort „Bullshit“ also bei dieser besonderen Form des Bingos nicht allzu ernst. Sehen Sie das Spiel eher als Gelegenheit, die wiederkehrenden Aussagen mit einer entlastenden Leichtigkeit hinzunehmen.

Schmunzeln statt laut „Bingo“ rufen

Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass Bullshit-Bingo selbst kritische Situationen entschärfen kann. Gut so, denn bei der Pflege bewegen Sie sich in einem emotional aufgeladenen Arbeitsumfeld, das Ihnen auch körperlich einiges abverlangt. Mit der spielerischen Herangehensweise bringen Sie eine Prise Humor in Ihren Alltag und können so Stress reduzieren. Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich geht es hier nicht darum, tatsächlich eine Karte anzulegen und diese vor Ihrem Gegenüber abzustreichen und laut „Bingo“ zu rufen. Das würde nämlich von wenig Empathie zeugen und Ihren Angehörigen oder einen anderen Gesprächsteilnehmer verunsichern. Allerdings können Sie sich weitverbreitete Phrasen einprägen und diese in Gedanken abhaken, wenn sie erwähnt werden. So kommt Ihnen vielleicht ein Lächeln über die Lippen und Sie schmunzeln innerlich, wenn Ihnen bei Behörden die klassischen Begriffe „Individualität“ oder „ganzheitlicher Ansatz“ begegnen.

Bullshit-Bingo kann eine klare Kommunikation fördern

Wenn Sie Ihren Angehörigen pflegen, kommen Sie mit vielen Fachwörtern in Berührung, zum Beispiel beim Austausch mit Ärzten, Pflegekräften oder Institutionen. Manche davon klären sich mit der Zeit, andere bleiben auch weiterhin mehr oder weniger ein Geheimnis. Das ändert aber nichts daran, dass sie häufig ins Gespräch einfließen. Bullshit-Bingo kann Ihnen dabei helfen, bewusster und kritischer hinzuhören. Taucht ein Wort oder ein Satz von der Liste auf, die Sie im Hinterkopf haben, sind Sie diesmal vorbereitet und fragen nach, was denn „bedarfsgerechte Pflegeplanung“ tatsächlich für die Pflege Ihres Familienmitglieds bedeutet.

Doch nicht nur andere, auch wir selbst neigen mit der Zeit dazu, bestimmte Ausdrücke zu übernehmen. Das liegt daran, dass dieselbe Sprache verbindet – wenn wir uns genauso ausdrücken, wie unser Gegenüber, bauen wir damit bewusst und unbewusst Barrieren ab, gefühlt befinden wir uns so auf einem Level. Doch dabei ist es wichtig, zu beachten, wer überhaupt vor uns sitzt. Ihrem Angehörigen nützt es nämlich nichts, wenn Sie mit der Pflegekraft des ambulanten Pflegedienstes sprachlich auf Augenhöhe sind, er selbst aber nur Bahnhof versteht. Und genau deshalb sollten wir uns manchmal hinterfragen: Vielleicht liefern wir selbst genügend Stoff für volle Bingo-Reihen? Da es um Sie selbst geht und Sie so nicht den Eindruck erwecken, sich über andere lustig zu machen, können Sie tatsächlich die schriftliche Bullshit-Variante nehmen. Wie viele Reihen Sie wohl an einem Pflegetag schaffen – ich bin gespannt.

Ihre Jennifer Ann

"Humorvoll, bissig, aber stets mit viel Herz für den Pflegesektor – die Kolumne von Diplom-Gesundheitsökonomin (FH) Jennifer Ann Steinort nimmt sich den wichtigen Themen in der Pflege an. "

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