
Inkontinenz ist ein unangenehmes Thema über das man nicht gerne spricht – auch für Menschen mit Demenz. Jedoch bringt Inkontinenz bei Demenz eine ganz andere Problematik mit sich: Manchmal vergessen die dementen Personen, dass sie überhaupt auf die Toilette müssen. Aber auch das ist möglich: Von einem Tag auf den anderen finden sie das Klo nicht mehr oder sie weigern sich schlicht und ergreifend, sich auf das WC zu setzen.
Für pflegende Angehörige ist nun die Herausforderung, herauszufinden, was hinter diesem Verhalten steckt. Unter Umständen kann jedoch mit relativ einfachen Methoden gegengesteuert werden. Prinzipiell gilt jedoch: Eine Inkontinenz gehört in die Behandlung eines Facharztes.
Das Wichtigste im Überblick
Welcher Arzt ist der richtige Ansprechpartner für Inkontinenz
Bei einer Stuhlinkontinenz ist ein Proktologe der richtige Ansprechpartner.
Wegen einer Harninkontinenz sollte unbedingt ein Urologe aufgesucht werden. Der Urologe kann auch bestimmen, um welche Art von Inkontinenz es sich handelt und welche Therapie am sinnvollsten ist.
Was kann die Ursache einer Inkontinenz bei Menschen mit Demenz sein
Es gibt viele Ursachen, die eine Inkontinenz auslösen können. Einige Auslöser können sein:
- Durch die Demenz werden Hirnregionen zerstört, über welche die Blase gesteuert werden.
- Manche Medikamente lösen als Nebenwirkung eine Inkontinenz aus.
- Auch Krankheiten, Blasenentzündungen, psychische Probleme, Unfälle, Operationen usw. können eine Harninkontinenz auslösen.
- Welche Ursachen noch für eine Blasenschwäche verantwortlich sein können, habe ich auch bereits einmal in meinem Beitrag „Mit Beckenbodengymnastik gegen Inkontinenz“ beschrieben.
Aber auch diese Möglichkeiten sollten in Betracht gezogen werden:
Das Auskleiden geht nicht mehr so gut und dauert länger, als der Harn gehalten werden kann. Oder der Mensch mit Demenz weiß einfach nicht mehr, wo die Toilette ist. Sie sehen allein an diesen zwei Beispielen, dass mit einer Inkontinenz bei demenziell veränderten Personen ganz anders umgegangen werden muss.
Tipps zum Umgang mit Inkontinenz bei demenziell veränderten Menschen
Menschen ohne Demenz gehen mit der Inkontinenz ganz anders um. Sie wissen um ihr Problem, lassen es adäquat behandeln, beugen mit entsprechender Gymnastik vor und verwenden Einlagen oder anderes Inkontinenzmaterial.
Bei Menschen mit Alzheimer/Demenz ist das anders. Sie erkennen vielleicht noch das Problem, haben aber ab einem gewissen Stadium der Erkrankung keine Lösung mehr parat.
Die Erkrankten sind auf die Hilfe ihrer Angehörigen angewiesen. Dazu gehört das sorgsame Beobachten des Krankheitsfortschrittes aber auch die Auswahl von geeignetem Inkontinenzmaterial wie Einmalslips, Einlagen, Windelhosen usw.
Nachfolgend möchte ich Ihnen einige Probleme aufzeigen, die Menschen mit Demenz haben können und entsprechend dazu einige Lösungen anbieten, wie das Problem gelöst werden könnte.
Problem No. 1: Der Mensch mit Demenz findet die Toilette nicht mehr
Auch wenn der demente Mensch schon viele Jahre in seiner Wohnung lebt kann irgendwann der Zeitpunkt kommen, dass er sich in seiner eigenen Wohnung nicht mehr auskennt, vielleicht sogar glaubt, in einer falschen Wohnung zu sein und deshalb nicht mehr weiß, wo die Toilette ist. Leider kann es auch vorkommen, dass der Demente andere Örtlichkeiten als Toilette zweckentfremdet. Das ist keine Boshaftigkeit – er weiß es einfach nicht mehr besser.
- Lassen Sie in der Wohnung die Badtüre/Toilettentüre offen stehen. So muss ihr Angehöriger nicht suchen, hinter welcher Tür sich jetzt die Toilette befindet.
- Eine weitere hilfreiche Orientierungshilfe sind Schilder an der Türe. Beschriften Sie die Türe jedoch „in der Sprache des Angehörigen“, also mit Worten, die er selbst auch benutzt. Wenn der demente Vater also von einem Clo spricht oder wie viele ältere Leute auch noch von einem Abort, dann beschriften Sie die Türe auch mit diesen Worten.
- Wenn bei Nacht Orientierungsprobleme auf dem Weg zur Toilette auftreten, kann es hilfreich sein den Weg zur Toilette und die Toilette selbst gut auszuleuchten. Eine Alternative wären Bewegungsmelder. Bewegungsmelder erfassen Bewegungen in einem bestimmten Umkreis und schalten automatisch das Licht ein. (Bewegungsmelder reagieren allerdings auch auf Hund, Katze, Maus 😉 ).
- Wenn Sie mit dem dementen Menschen zum Arzt, zu Freunden oder ins Restaurant gehen, wird er vermutlich nicht wissen, wo die Toilette ist. Womöglich ist ihm die ganze Umgebung fremd. Testen Sie, ob es für den Angehörigen hilfreich ist, wenn Sie gleich zu Anfang die Toilette aufsuchen, so dass er im „Ernstfall“ den Weg – oder zumindest die Richtung – kennt.
Wenn Menschen mit Demenz weglaufen.
Lese-TiPP:Problem No. 2: Es reicht zeitlich nicht mehr auf die Toilette
Auch wenn der demente Mensch vielleicht die ganze Nacht nicht auf die Toilette musste, so kann es doch morgens beim Aufstehen sehr knapp werden und nicht mehr zur Toilette reichen.
- Um nicht schon am frühen Morgen als Pflegeperson und Pflegebedürftiger in Stress zu kommen, kann es hilfreich sein, den Herren eine Urinflasche und den Damen ein Steckbecken zu geben, um den ersten Toilettengang im Bett verrichten zu können. Auch mit einem Toilettenstuhl kann schnelle Abhilfe geschaffen werden.
- Manchen Menschen mit Demenz können auch bestimmte Toilettenzeiten antrainiert werden. Das Ziel sollte dann sein, zu bestimmten Zeiten den Angehörigen zur Toilette zu begleiten oder ihn zu diesen Zeiten aufzufordern, selbstständig zur Toilette zu gehen. Es bietet sich zum Beispiel an zu trainieren, gleich morgens nach dem Aufstehen zur Toilette zu gehen, oder vor dem Essen (dabei kann man gleich das Händewaschen mit verbinden) vor allem aber auch vor dem Schlafengehen. Die Zeiten sind individuell auf den einzelnen Menschen abzustimmen.
- Es gibt auch die Möglichkeit, regelmäßig den Betroffenen an einen Toilettengang zu erinnern. Aber hier kann der Schuss auch nach hinten losgehen, weil sich der Angehörige vielleicht kontrolliert oder bevormundet vorkommt. Sie wollten sich deshalb eine sorgfältige Formulierung zurechtlegen.
Problem No. 3: Der demente Mensch kann sich nicht mehr richtig artikulieren
Im Anfangsstadium der Demenz wird sich der Erkrankte wohl noch in gewohnter Weise artikulieren können. Mit fortgeschrittener Demenz wird die Verständigung immer schlechter werden. In der Demenzbetreuung müssen die Angehörigen nun lernen, den demenziell veränderten Menschen zu beobachten und auf Veränderungen zu reagieren.
Tipp: Wenn der demente Mensch unruhig auf dem Sitz herumrutscht, sich vielleicht auch zwischen die Beine fasst oder diese zusammenpresst, an sich oder seiner Kleidung herumnestelt, immer wieder nervös aufsteht oder suchend in der Wohnung herumirrt können dies Anzeichen dafür sein, dass er auf die Toilette muss.
Problem No. 4: Die Toilette wird nicht mehr erkannt oder löst Ängste aus
Mit der Demenz kommen nicht nur Orientierungsprobleme. Auch der Gang wird unsicherer. Das Hinsetzen auf die Toilette kann bei dem Angehörigen Ängste auslösen. Vielleicht glaubt er, er fällt daneben. Und oftmals kann er die Toilette auch nicht mehr richtig erkennen. Folgende Tipps helfen weiter:
- Mit einer erhöhten Toilette muss der gehandicapte Angehörige nicht so weit nach unten und fühlt sich sicherer. Außerdem kann er auch wieder leichter aufstehen. Die Toilette kann entweder über eine extra hohe WC-Keramik (auch Senioren-WC oder Komfort-WC gekannt) oder über eine Toilettensitzerhöhung erhöht werden. Beides sind Hilfsmittel und werden unter gewissen Voraussetzungen von der Krankenkasse bezahlt.
- Menschen mit Demenz haben oft ein Problem mit Ton-in-Ton-Umgebungen. So wie sie sich schwer tun, einen weißen Teller auf einer weißen Tischdecke zu erkennen, so haben sie auch möglicherweise ein Problem damit, in einem weiß gefliesten Raum einen weißen Toiletten-Sitz auf einem weißen WC zu erkennen. Hier ist Farbe angesagt und ein farbiger Toilettensitz kann deshalb sehr hilfreich sein.
- Leider vergisst der eine oder andere Demenzpatient, dass er den Toilettendeckel öffnen muss. Einfacher geht es, wenn der Toilettendeckel immer geöffnet ist.
- Haltegriffe erleichtern ebenfalls das Hinsetzen und wieder Aufstehen und geben dem demenziell veränderten Menschen Sicherheit. Auch Haltegriffe sind Hilfsmittel die Sie bei der Krankenkasse beantragen können. (Wurde das beantragte Hilfsmittel abgelehnt, können Sie Widerspruch gegen die Ablehnung des Hilfsmittels einlegen).
So werden Hilfsmittel beantragt.
Lese-TiPP:Problem No. 5: Falsche Kleidung
Ist der Weg zur Toilette zu lang und lässt sich dann auch noch die Hose nicht richtig öffnen, kann dies mit die Ursache sein, dass der zu pflegende Angehörige einfach den Urin nicht mehr halten kann. Hiermit könnten Sie evtl. Abhilfe schaffen.
- Das Ausziehen von Kleidungsstücken muss oftmals schnell gehen. Knöpfe an der zu öffnenden Kleidung sind daher eher unpraktisch. Besser sind Schlupfhosen wie z.B. Jogginghosen oder aber auch Kleidung mit Klett- oder Reißverschluss. Auch Gürtel sind nicht besonders geeignet. Vielleicht könnten Hosenträger hier die bessere Variante sein.
- Wenn Sie merken, dass der demente Mensch vergisst die Kleidung vor dem Toilettengang herunter zu ziehen, sollten Sie ihn charmant an diese Notwendigkeit erinnern.
- Es gibt für die unterschiedlichsten Krankheitsformen spezielle Pflegewäsche. Zum Beispiel Pflegeoveralls für Menschen die sich unkontrolliert ausziehen, Unterwäsche zum einfachen Wechseln von Einlagen oder Wäsche zum einfachen Öffnen usw.
So können Aktivoveralls, Pflegebodys & Co. die Krankenpflege erleichtern
Lese-TiPP:Problem No. 6: Unebenheiten, Stolperfallen, Treppenstufen
Menschen mit Demenz brauchen Sicherheit. Das betrifft auch den Weg zur Toilette, unabhängig davon ob dieser Weg noch alleine oder mit Begleitung gegangen wird. Auch Treppenstufen in der Wohnung sind nicht besonders geeignet und gehören entsprechend abgesichert. Prinzipiell sind Stürzen vorzubeugen, da gerade bei älteren Menschen Oberschenkelhalsbrüche eine häufige Folge von Stürzen sein können.
- Manchmal brauchen die Patienten eine kleine Stütze oder die Möglichkeit sich festhalten zu können. Vorsicht ist bei instabilen Möbelstücken geboten, die womöglich ein Abstützen durch den Dementen nicht „überleben“.
- Beobachten Sie Ihren Angehörigen. Vielleicht hilft es ihm auch, wenn an der Wand Haltegriffe angebracht werden, um sicherer gehen zu können.
- Wird ein Rollator benötigt, sollten die Gänge schon bis zur Toilette mit diesem begehbar sein. So wie allgemein die Wohnung behindertengerecht auf den speziellen Fall ausgerichtet sein sollte.
- Alters- und krankheitsbedingt sind ältere Menschen nicht mehr so sicher auf den Beinen. Manchmal hilft ein Treppenlift, um die Betroffenen sicher von einer Etage in die andere zu bringen. Unter gewissen Voraussetzungen übernimmt die Pflegekasse einen Zuschuss zum Einbau eines Treppenlifts.
- Niederflurbetten erleichtern das selbstständige Ein- und Aussteigen ins Bett und sind zudem eine hervorragende Sturzprophylaxe gerade für Menschen mit Demenz.
- Um Stürze zu vermeiden, sollten Stolperfallen, lose Teppiche, freiliegende Kabel und Unebenheiten beseitigt werden.
Lese-TiPP: Sturzprophylaxe: Die sichere Treppe.
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Problem No. 7: Harntreibende Getränke
Es gibt Getränke die harntreibend sind wie zum Beispiel bestimmte Tees. Auch Kaffee löst bei vielen Menschen einen Harndrang aus.
Tipp: Auch bei Menschen mit Demenz muss darauf geachtet werden, dass sie genügend Flüssigkeit zu sich nehmen. Harntreibende Getränke sollten jedoch nicht am Abend vor dem Zubettgehen oder vor dem Mittagsschlaf gegeben werden.
Problem No. 8: Wechselwirkungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten
Ja eine Inkontinenz kann auch einfach nur durch Wechselwirkungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten ausgelöst werden.
Tipp: Sprechen Sie mit dem behandelnden Arzt und fragen Sie nach, ob durch die verabreichten Medikamenten evtl. die Inkontinenz ausgelöst werden konnte und ob ein anderes Medikament verabreicht werden kann.
Weitere Tipps rund um die Inkontinenz
- An dieser Stelle möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Krankenkasse ab einem bestimmten Grad der Blasenschwäche das Inkontinenzmaterial bezahlt.
- Inkontinenz kann die Haut schädigen. Eine sinnvoll Dekubitusprophylaxe kann Hautschäden verhindern oder reduzieren.
- Pflegenden Angehörigen steht ein kostenloser Pflegekurs zu. Die Kurse dienen dazu, die Betreuung und Pflege zu vereinfachen und seelische sowie pflegebedingte körperliche Beschwerden zu minimieren.
- Pflegebedürftige Menschen haben ein Anrecht auf Pflegehilfsmittel im Wert von monatlich 40 Euro. In dieser Hilfsmittelbox sind zum Beispiel Bettschutzeinlagen, um das Durchnässen des Pflegebettes zu vermeiden.
Dieser Beitrag ist Teil unserer Demenz-Serie. Weitere Beiträge:
- Demenz verstehen – Teil 1: Wenn Oma glaubt, dass sie bestohlen wurde
- Demenz verstehen – Teil 2: Mit kleinen Tricks zum Essen animieren
- Demenz verstehen – Teil 3: Was tun, wenn Oma schreit, kratzt und schlägt
- Demenz verstehen – Teil 4: “Merkwürdiges“ Verhalten bei Menschen mit Demenz
- Demenz verstehen – Teil 5: Wenn demente Menschen Schmerzen äußern
- Demenz verstehen – Teil 6: Fingerfood – die Ernährungs-Alternative bei Demenz
- Demenz verstehen – Teil 7: Warum die Oma keine neuen Kleider will
- Demenz verstehen – Teil 8: Mit der richtigen Kommunikation geht vieles leichter
- Demenz verstehen – Teil 9: Tipps für demente Menschen mit Inkontinenz
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Quelle Bildmaterial: Fotolia #41072966 © DOC RABE Media
Gemeinsam mit seiner Frau betreut Otto Beier seit 2012 seine pflegebedürftigen Eltern und Schwiegereltern. Er gibt Insider-Tipps für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen und schreibt als Pflegender – direkt von der Front – über seine Erfahrungen mit dem Pflegedschungel.
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