
Für Menschen mit Demenz ist die gewohnte Umgebung sehr wichtig. Ist ein Krankenhausaufenthalt nötig, sollte dieser gut vorbereitet sein.
Obwohl unsere Gesellschaft immer älter wird und die Anzahl der demenziell veränderten Menschen stetig steigt, gibt es viel zu wenige Demenzstationen in Akutkliniken, die darauf eingestellt sind, Demenzpatienten optimal zu betreuen.
Das bedeutet für die pflegenden Familienmitglieder, dass sie selbst unter Umständen stark gefordert sind, wenn ihr dementer Angehöriger in eine Klinik eingewiesen wird. Aber noch mehr für den Erkrankten ist die Klinikeinweisung ein Desaster.
Der Mensch mit Demenz kennt sich oftmals nicht aus, weiß womöglich nicht, warum er im Krankenhaus ist, hat nicht selten Angst vor allem, was passiert und für absolut gar nichts eine Erklärung. Das Personal hat wenig Zeit für Erläuterungen, die Familie kann auch nicht dauerhaft anwesend sein.
Das Wichtigste im Überblick
- Worauf ist bei der Auswahl einer Klinik zu achten?
- Je nach Stadium der Demenz muss mit folgenden Reaktionen gerechnet werden
- Ist Rooming-In für pflegende Angehörige möglich?
- Was erleichtert Menschen mit Demenz den Krankenhausaufenthalt?
- Auch eine Kurzbiografie kann hilfreich sein
- Weitere Beiträge zum Thema Pflege
Worauf ist bei der Auswahl einer Klinik zu achten?
Ideal sind Krankenhäuser mit eigenen Demenzstationen oder Geriatrieabteilungen. Man sollte davon ausgehen können, dass in diesen Kliniken das Personal entsprechend auf Demenzerkrankungen und das Verhalten dementer Patienten geschult ist.
Außerdem kann erwartet werden, daß in Spezialkliniken die Einrichtung und Gestaltung der Demenzstationen auf die speziellen Bedürfnisse der Patienten abgestimmt ist, denn Demenzpatienten verhalten sich meist ganz anders, als wir es von gesunden Menschen gewohnt sind.
Je nach Stadium der Demenz muss mit folgenden Reaktionen gerechnet werden
Leider werden demente Patienten im Krankenhaus vom Personal und den Mitpatienten meist als Störfaktor betrachtet. Demenzerkrankte brauchen wesentlich mehr Betreuungs- und Behandlungszeit, die das Personal nicht hat. Ihr Verhalten ist oft befremdlich und Mitpatienten als auch Personal verstehen nicht, was in dem dementen Kopf vorgeht.
- Dementen Menschen fehlt die Orientierung. Sie wissen oft nicht mehr wo sie sind und neigen deshalb zur Bettflucht, da sie ihr Zuhause suchen. Extra-TIPP: Gute Hilfsmittel für Nachtwanderer sind Alarmtrittmatten oder ein Bettkantenalarm.
- Es ist damit zu rechnen, dass sie sogar das Krankenhausgelände verlassen.
- Um das ungewollte Verlassen des Betts zu verhindern, dürfen Krankenhäuser den Patienten weder anbinden noch Gitter am Bett anbringen. Beides zählt zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen, welche nur erlaubt sind, wenn eine richterliche Genehmigung vorliegt. Eine Vorsorge- oder Generalvollmacht der pflegenden Angehörigen reicht nicht aus, um dem Krankenhauspersonal zu erlauben, Bettgitter anzubringen. Deshalb müssen andere Maßnahmen getroffen werden.
- Das unkontrollierte Verlassen des Betts kann dazu führen, dass der Patient stürzt oder dass z.B. Schläuche, Katheder, Infusionen usw. herausgerissen werden. Dadurch sind Verletzungen und Brüche vorprogrammiert.
- Das Denk- und Urteilungsvermögen ist eingeschränkt, man spricht auch von einer eingeschränkten Alltagskompetenz. Sie sind mit der neuen Situation überfordert und können sie nicht einschätzen.
- Der ungewohnte Tagesablauf, die fremde Umgebung und die unbekannten Menschen können beim Patienten Stress auslösen.
- Mitpatienten werden „belästigt“, da die Demenzerkrankten Hilfe suchen. Oftmals stellen sie ständig ein und dieselbe Frage.
- Menschen mit Demenzerkrankungen vergessen die Anweisungen, die sie vom Krankenhauspersonal erhalten haben oder sie verstehen diese nicht. Das führt dazu, dass z.B. verordnete Medikamente nicht genommen werden.
- Die ungewohnte Umgebung kann Unruhe und Aggressivität auslösen
- Es kann vorkommen, dass Patienten das Essen oder Trinken vergessen oder gar verweigern, was zu einer Mangelernährung führen kann.
All diese Faktoren beeinträchtigen den dementen Menschen und können seinen Gesamtzustand verschlechtern. Deshalb sollte versucht werden, den Klinikaufenthalt für den Patienten so angenehm wie möglich zu gestalten und ihn aber auch so schnell wie möglich wieder in die häusliche Umgebung und Pflege übernehmen.
Ist Rooming-In für pflegende Angehörige möglich?
Doch gerade bei Demenz ist eine Betreuung durch einen Angehörigen in der Klinik so wichtig. Wer über eine Krankenhauszusatzversicherung versichert ist, hat nicht nur Anspruch auf eine Chefarztbetreuung und andere Leistungen, sondern auch auf ein Einbettzimmer, was beste Voraussetzungen für ein Rooming-In bietet.
Die Kostenübernahme für das RoomingIn ist hier geregelt § 11 Abs. 3 SGB V.
RoomingIn bedeutet, dass ein Angehöriger rund um die Uhr im Krankenzimmer des Patienten mit untergebracht ist. Normalerweise sind gesetzlich versicherte Patienten in Mehrbettzimmern untergebracht, was für Demenzerkrankte jedoch eher kontraproduktiv ist.
Der demente Mensch mit seinem erhöhten Betreuungsbedarf kann über ein RoomingIn in einem Einzelzimmer durch seinen Angehörigen optimal versorgt, beaufsichtigt und gepflegt werden.
Achtung: Jedes Krankenhaus und jede gesetzliche Krankenversicherung handhabt das RoomingIn anders.
Klären Sie mit Ihrer gesetzlichen Krankenkasse bzw. privaten Krankenhauszusatzversicherung ab:
- Welche Kosten werden übernommen
- Welche Bescheinigungen sind über die Notwendigkeit Ihrer Mitaufnahme im Krankenhaus notwendig
Was erleichtert Menschen mit Demenz den Krankenhausaufenthalt?
Für Menschen mit Demenz ist ein Krankenhausaufenthalt eine besondere (ungewohnte) Situation. Deshalb benötigen sie im Krankenhaus auch eine besondere Versorgung. Die Angst des Betroffenen kann daher unendlich groß sein. Sie können jedoch helfen, indem Sie einige Aspekte beachten:
- Bei der Einweisung sollten Sie unbedingt dabei sein.
- Dem Personal können Sie erklären, dass es sich um ein Familienmitglied mit Demenzerkrankung handelt (Schämen Sie sich bitte dafür nicht, Sie können nichts dafür! Es ist jedoch wichtig, dass das Krankenhauspersonal davon erfährt, denn so mancher Mensch mit Demenz kann seine Erkrankung wunderbar verstecken und seine Defizite mit Floskeln und pfiffigem Auftreten „unsichtbar“ scheinen lassen. Das Personal wäre dann getäuscht und würde dann keine Rücksicht darauf nehmen, was fatale Folgen haben könnte.)
- Bei wichtigen Untersuchungen sollten Sie dabei sein. Dann können Sie auch erklären, was jetzt passieren wird. Zum Beispiel Blutentnahme, Kernspin o.ä.
- Das Personal sollten Sie darauf aufmerksam machen, dass es notwendige Tabletteneingaben unbedingt begleitet und die tägliche Trinkmenge kontrolliert. Es kann sonst vorkommen, dass alle Tabletten im Schubfach landen und die einmal hingestellte Wasserflasche am dritten Tag noch immer unangetastet auf dem Nachttisch steht. Notieren Sie ein Datum auf der Flasche!
- Persönliche Gegenstände, die der Demenz-Kranke kennt, können ein klein wenig Vertrautheit zurückbringen.
- Rooming-In einer Begleitperson ist eine große Hilfe für den Patienten und das Krankenhauspersonal.
- Möglichst viel Unterstützung und Betreuung durch die Angehörigen. Hierunter fällt das Verabreichen von Essen und Getränken, Ablenkung durch Gespräche oder Vorlesen.
- Andere Patienten darüber informieren, dass der Angehörige eine Demenzerkrankung hat. Das fördert zum einen das Verständnis für den Demenzpatienten zum anderen vielleicht auch die Bereitschaft, Hilfe zu leisten wenn der Patient alleine ist.
- Krankenhäuser bieten zum Teil geschulte ehrenamtliche Mitarbeiter zur zusätzlichen Betreuung der Demenzpatienten an.
- Es sollte trotz Krankenhausumgebung versucht werden, dass eine Alltagsstruktur für die Senioren mit Demenz geschaffen wird. Dies kann über Beschäftigungstherapien, Demenzübungen, Gedächtnistraining und andere feste Rituale herbeigeführt werden.
- Kaufen Sie keine neue Wäsche, keinen neuen Schlafanzug oder Morgenmantel. Womöglich erkennt ihr dementes Familienmitglied diese Sachen nämlich nicht als die eigenen und verweigert dann das Anziehen. Gehen Sie diesem nicht seltenen Problem aus dem Weg, indem Sie Lieblingsstücke mit ins Krankenhaus geben.
Auch eine Kurzbiografie kann hilfreich sein
Schreiben Sie eine Kurzbiografie. Das macht ein wenig Arbeit, aber man wird es Ihnen danken. Das Klinikpersonal kann mit Ihrem Familienmitglied besser kommunizieren und auch gezielter auf ihn/sie eingehen. Lassen Sie sich von folgendem Beispiel inspirieren:
So vorbereitet können Sie den notwendigen Krankenhausaufenthalt ein wenig beruhigter angehen.
Weitere Informationen
- Ein Ansprechpartner im Internet ist die Deutsche-Alzheimer.de
- Selbsthilfegruppen für Angehörige von Demenzpatienten bieten Möglichkeiten für einen Erfahrungsaustausch
- In meinem Beitrag „Plötzlich Pflegefall – Checkliste: Was ist zu tun und wer hilft weiter“ finden Sie ebenfalls sehr viele Ansprechpartner, auch rund um das Thema Pflege und Pflegegrad.
- Das Bundesministerium für Gesundheit bietet auf seiner eigenen Plattform „Wegweiser Demenz“ ebenfalls umfangreiche Informationen.
Ähnliche Begrifflichkeiten:
Alzheimer, Alzheimer Demenz, Altersdemenz, Altersverwirrtheit
Weitere Beiträge zum Thema Pflege
- Demenz verstehen – Teil 1: Wenn Oma glaubt, dass sie bestohlen wurde
- Sichere Wohnung für Demenzpatienten
- Wie wird Demenz festgestellt
- Versorgungslücke geschlossen: Krankenhäuser müssen bei Entlassung Medikamente, Hilfsmittel usw. verordnen
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Quelle Bildmaterial: Fotolia#109486983 © djoronimo
Bildquelle: Canva for free / Hemera Technologies von Photo Images
Fachautorin
Website zu Brita Wellnitz
Brita Wellnitz, eine Koryphäe für Demenzerkrankungen und dem Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen. Sie ist Leiterin und Mitbegründerin der Demenz-Wohngemeinschaft Schwarzachhaus sowie Geschäftsführerin des Fördervereins Lebensring – Verein für Menschen mit besonderen Pflegebedürfnissen e.V. Sie ist fachlich sehr versiert, versetzt sich aber auch immer in die kranken Menschen. Sie versteht Handeln und Denken von Demenzkranken wie nur wenige. Mit ihren Beiträgen gibt sie immer auch Tipps und gut umsetzbare Handlungsanweisungen an unsere Leser weiter.