Dipl. Ges. Oec. (FH) Jennifer Ann Steinort
Medizin- und Familienjournalistin
Aktualisiert am 08.04.2025
137 mal angesehen

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Orientierungs- und Mobilitätstraining vermittelt Techniken, mit denen sich blinde und sehbehinderte Menschen sicher fortbewegen.

  • Die O&M-Schulung wird individuell an die Bedürfnisse der Teilnehmer angepasst.

  • Das Training bietet sich für Kinder und Erwachsene, mit und ohne Blindenführhund, an.

  • Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für das Orientierungs- und Mobilitätstraining, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

So gehen Sie vor

  • Suchen Sie mit Ihrem Angehörigen den behandelnden Augenarzt auf und sprechen Sie die O&M-Schulung an.

  • Lassen Sie sich eine Verordnung für das Orientierungs- und Mobilitätstraining ausstellen.

  • Machen Sie einen Termin bei einem Rehalehrer in Ihrer Nähe – er stellt den Schulungsbedarf fest.

  • In der Regel reicht der Rehalehrer den Kostenübernahmeantrag bei der Krankenkasse ein.

  • Bei Bewilligung meldet sich der Trainer und vereinbart die Schulungstermine.

Hochgradig sehbehinderte oder blinde Menschen wünschen sich ebenso wie Normalsichtige ein möglichst unabhängiges Leben. Mit bestimmten Techniken können sie sich in gewohnter und fremder Umgebung weitestgehend ohne Unterstützung bewegen. Das Orientierungs- und Mobilitätstraining hilft beim Erlernen dieser Techniken. Ich erkläre Ihnen, wo die O&M-Schulung stattfindet, was Ihr Angehöriger dabei lernt und wen Sie an den Kosten beteiligen können.

Was ist das Orientierungs- und Mobilitätstraining?

Wer blind oder hochgradig sehbehindert ist, kann sich im Alltag in der Regel nicht in typischer Weise orientieren und fortbewegen, zumindest nicht ohne Unterstützung von außen. Das macht sich bereits in der häuslichen Umgebung bemerkbar – Ihrem Angehörigen fällt es womöglich mitunter schwer, sicher durch die Räume zu navigieren oder die Treppen zu benutzen. Im Straßenverkehr ist der Schwierigkeitsgrad aber noch viel höher. Hier lauern zum Beispiel in Form von stark befahrenen Straßen Gefahren, gleichzeitig prasseln viele Geräusche auf Ihr Familienmitglied ein – ohne eine Schulung und entsprechende Hilfsmittel entsteht daraus meist eine Abhängigkeit von der Hilfe anderer Personen. Mit dem Orientierungs- und Mobilitätstraining erlernen Betreffende unter anderem den gezielten Umgang mit dem Langstock, einem wichtigen Hilfsmittel für stark seheingeschränkte und blinde Menschen. Außerdem erfahren sie, wie sie den Schall für die Fortbewegung nutzen können.

Warum ist das Orientierungs- und Mobilitätstraining wichtig?

Um zu verstehen, wie entscheidend das Training für Betreffende ist, lohnt es sich, einen Blick auf die Begriffe „Orientierung“ und „Mobilität“ zu werfen. Doch was ist der Unterschied zwischen Mobilität und Orientierung?

Diese Ziele hat das Orientierungs- und Mobilitätstraining:

  • Blinde oder stark sehbehinderte Menschen sollen befähigt werden, sich sicher auf bekanntem und unbekanntem Terrain zu bewegen – die Mobilität ist sowohl im häuslichen Umfeld als auch im Straßenverkehr, in Einkaufsläden und auf Spazierwegen gefragt.
  • Betreffende sollen in der Lage sein, durch Einsatz eines Langstocks und der übrigen Sinne ihr „Laufziel“ auszuloten – diese Orientierung ist draußen und drinnen wichtig.
  • Ihr Angehöriger soll sich künftig sicherer und selbstständiger fortbewegen, um dadurch auch soziale Kontakte besser pflegen zu können.

"Das Orientierungs- und Mobilitätstraining erleichtert die gesellschaftliche Teilhabe und sorgt für Sicherheit. Außerdem ist die spezielle Schulung eine Grundvoraussetzung, um einen Blindenführhund oder einen Blindenlangstock von der Krankenkasse zu erhalten."

Dipl. Ges. Oec. (FH) Jennifer Ann Steinort

Schulungsinhalte beim O&M-Training  

Ist die Sicht stark eingeschränkt oder fehlt sogar ganz, sind die Bedürfnisse bei Betreffenden sehr unterschiedlich: Einige Pflegebedürftige möchten sich „nur“ sicher im häuslichen Umfeld bewegen können, andere sind noch recht aktiv – sie müssen Kreuzungen überwinden, um zu ihrem Lieblingssupermarkt zu gelangen, oder möchten mit öffentlichen Verkehrsmitteln Freunde besuchen. Das Orientierungs- und Mobilitätstraining passt sich an die individuellen Bedürfnisse an und nimmt Rücksicht auf die jeweiligen Voraussetzungen, die Betreffende mitbringen. Deshalb unterscheidet sich die Schulung von Mensch zu Mensch in Bezug auf die Intensität, die Dauer und den Umfang. Um Ihnen einen Einblick zu geben, habe ich Ihnen einige Schulungsinhalte zusammengefasst.

  • Langstocktraining: unter anderem Pendeltechnik, Schleiftechnik, Rolltechnik, Umgang mit Türen, Treppen und Hindernissen, sicheres Ein- und Aussteigen aus dem Bus sowie Förderung der Körperwahrnehmung.
  • Techniken, um unproblematisch mit einer sehenden Begleitperson unterwegs zu sein.
  • Handhabe von Sehhilfen, wie Brillen oder Lupen, sofern noch ein kleines Sehvermögen vorhanden ist.
  • Umgang mit verschiedenen Umweltsituationen wie Straßenverkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln.
  • Das Interpretieren tastbarer Karten und Pläne.
  • Bei Bedarf Umgang mit elektronischen Orientierungshilfen oder einem Blindenführhund.

Am Ende der Schulung sollen Teilnehmer die Grundregeln beherrschen, die beim Führen und Geführtwerden wichtig sind. Außerdem ist es nötig, dass sie die restlichen Sinne und Techniken, beispielsweise zum Überqueren von Straßen oder zur Erledigung des Wocheneinkaufs, gezielt einsetzen können.

Praxisbeispiele: Was sind Orientierungs- und Mobilitätstechniken?

In diesem Abschnitt gebe ich Ihnen einen kleinen Eindruck davon, wie eine Q&M- Schulung in der Praxis aussehen kann.

Praxisbeispiel 1: Herr Meyer ist seit seinem 45. Lebensjahr blind. Im Orientierungs- und Mobilitätstraining lernt er, mit einem Blindenführhund zusammenzuarbeiten. Dafür legt er zunächst unter Anleitung kurze Strecken mit dem Hund zurück. Der Trainer zeigt ihm auch, wie er mit seinem Gefährten kommunizieren kann, damit dieser ihn besser versteht.

Praxisbeispiel 2: Carola ist nach einem Unfall beinahe blind – ihr bereitet der Straßenverkehr große Sorgen. Der Trainer übt mit ihr, wie man Kreuzungen sicher, zum Beispiel durch Beachtung von Bodenmarkierungen oder Geräuschen, mit dem Langstock überquert. Außerdem lernt sie, wie sie andere Straßenverkehrsteilnehmer auf ihre eingeschränkte Sicht aufmerksam macht.

Praxisbeispiel 3: Eine altersabhängige Makuladegeneration schränkt das Sehen von Heike stark ein. Die Trainerin hilft ihr dabei, sich möglichst gefahrlos im häuslichen Umfeld zu bewegen. Dazu gehört auch das sichere Bewältigen der Treppen, was besonders wichtig ist, da sich Heike durch ihre Osteoporose schnell die Knochen bricht.

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O&M-Training: Informationen zum Schulungsort und Trainer

Nicht jeder, der sich gut mobilisieren und orientieren kann, ist dazu befähigt, ein Orientierungs- und Mobilitätstraining durchzuführen, dafür braucht es Fachkräfte. Eine Vollzeitausbildung kann an der staatlich anerkannten Fachschule für Fachkräfte der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation absolviert werden – sie dauert zwölf Monate. Vorab wählen Auszubildende ihren Schwerpunkt: Entweder entscheiden sie sich für den Bereich Orientierung und Mobilität (O&M) oder für Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF). Kurzum: Das Orientierungs- und Mobilitätstraining führen ausgebildete Trainer bei Ihrem Angehörigen durch. Über die Landesvereine des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes oder über den Berufsverband der Rehalehrer für Blinde und Sehbehinderte finden Sie Rehalehrer für Orientierung und Mobilität in Ihrer Nähe. In der Regel wird es so gehandhabt, dass die Trainer zu den Personen nach Hause kommen. Sie arbeiten sich mit den Betreffenden Stück für Stück von der Erkundung des Wohnorts bis hin zu fremden Umgebungen vor. Wie oft das Mobilitätstraining durchgeführt wird, vereinbaren beide Parteien individuell.

Orientierungs- und Mobilitätstraining für Kinder

Viele Informationen rund um das O&M-Training sind auf Erwachsene gemünzt, die erst später erblindet sind. Sie müssen sich nun völlig neuen Herausforderungen stellen und eine andere „Sicht“ auf ihren Alltag erhalten. Der Gebrauch des Langstocks ist dabei eines der Kernthemen. Doch auch Kinder können erblinden oder bereits blind zur Welt kommen. Ein Langstocktraining scheint bei ihnen frühestens im Grundschulalter sinnvoll, aber eine O&M-Schulung kann sich unter Umständen schon lange davor anbieten. Schließlich gewinnen blinde und sehgeschädigte Kinder in frühen Jahren zusehends an Mobilität und benötigen dadurch Sicherheit und Alltagstipps, die zu ihren Bedürfnissen passen. Ist Ihr Kind betroffen, ist bis zum Start in die Grundschule die Frühförderung der richtige Ansprechpartner für das Orientierungs- und Mobilitätstraining – hier erhalten Sie und Ihr Kind Anleitungen für den Alltag. Ein ausgebildeter Rehalehrer, der möglichst erfahren mit Kindern ist, kann zusätzlich unterstützen.

Mobilitätstraining für Blinde: Kosten

Die Kosten für eine O&M-Schulung fallen sehr unterschiedlich aus. Das liegt daran, dass die Bedürfnisse, die Dauer und die Intensität nicht immer gleich sind. Auch die Ausgangslage ist durchaus verschieden – manchmal geht es darum, einen Erwachsenen zu schulen, in anderen Fällen ist das Training auf Eltern und Kind abgestimmt oder ein Hund wird dazu genommen. Einen pauschalen Preis für das Orientierungs- und Mobilitätstraining gibt es also nicht. Dafür aber die gute Nachricht, dass die Kostenübernahme beim Mobilitätstraining für Blinde geregelt ist. Im Klartext bedeutet das, dass die Krankenkasse die Kosten zahlt. Eine Voraussetzung ist eine Verordnung durch den behandelnden Augenarzt. Doch wer kann sonst noch das Mobilitätstraining für Blinde zahlen? In Ausnahmefällen ist die Agentur für Arbeit, das Sozialamt oder die Berufsgenossenschaft der richtige Ansprechpartner.

Mehr Sicherheit durch einen kostenfreien Hausnotruf

Mein Tipp: Orientierungshilfen für Blinde und Sehbehinderte

Sich in einer Umgebung zurechtzufinden, die sich mehrheitlich an den Fähigkeiten sehender Menschen orientiert, ist oft nicht einfach. Verschiedene Orientierungshilfen stärken blinden und sehbehinderten Menschen im übertragenen Sinne den Rücken.

Folgendes könnte für Ihren Angehörigen dann sinnvoll sein:

Der Augenarzt Ihres Familienmitglieds kann Sie über verschiedene Hilfsmittel informieren, die Ihnen im Pflegealltag helfen – fragen Sie beim nächsten Arztbesuch einfach nach.

Häufige Fragen zum Orientierungs- und Mobilitätstraining

Was bedeutet Orientierung und Mobilität für blinde Kinder?
Warum ist Sensorik für Orientierung und Mobilität wichtig?
Wie orientieren sich sehbehinderte Menschen?
Wie orientieren sich Blinde im Straßenverkehr?
Kann denn ein Blinder einen Blinden führen?
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