
Vorlesegeräte für Blinde: Wie funktionieren OrCam und Co?

Das Wichtigste in Kürze
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Vorlesegeräte lesen digitalen und gedruckten Text vor, etwa in Briefen, Packungsbeilagen oder Medikamentenlisten enthalten.
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Die Geräte sind handlich und kompakt – Pflegebedürftige können sie beinahe überall mit hinnehmen.
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Vorlesegeräte lesen den Text ein und wandeln ihn anschließend in Sprache um.
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Die Krankenkasse übernimmt die Kosten, wenn das Hilfsmittel medizinisch notwendig ist.
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Pflegebedürftige können ein Vorlesegerät auch selbst anschaffen, die Produkte kosten aber meist mehrere Tausend Euro.
So gehen Sie vor
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Vereinbaren Sie für Ihren Angehörigen einen Termin in der behandelnden Augenarztpraxis.
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Sprechen Sie mit Ihrem Familienmitglied das Vorlesegerät direkt beim Mediziner an und bitten Sie um eine entsprechende Verordnung.
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Ist der Augenarzt der Ansicht, dass Ihr Angehöriger die Voraussetzungen erfüllt, händigt er eine ärztliche Verordnung aus.
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Ihr Familienmitglied wendet sich mit der Verordnung an die Krankenkasse und bittet um Kostenübernahme – manchmal helfen auch Hersteller bei dem Beantragungsprozess.
Inhalt dieser Seite
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Das Wichtigste in Kürze
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So gehen Sie vor
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Was sind Lesegeräte für Blinde?
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Vorlesegeräte und Screenreader – das sind die Unterschiede
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Für wen eignet sich ein Vorlesegerät?
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Wie funktioniert ein Vorlesegerät für Blinde?
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Allerlei Technik: das zeichnet Vorlesegeräte für Blinde aus
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Welche Vorteile und Nachteile haben Vorlesegeräte?
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Das kostet Ihren Angehörigen ein Vorlesegerät für Blinde
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Tipps für den Kauf von Vorlesegeräten
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Häufige Fragen zu Vorlesegeräten für Blinde
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Was sind Lesegeräte für Blinde?
Blinden und sehbehinderten Menschen begegnet das gedruckte Wort in allen Lebensbereichen – in der Regel handelt es sich dabei nicht um Inhalte in Blindenschrift, sondern in der gewöhnlichen Schwarzschrift. Da Betroffene die Texte nicht mit den Fingerspitzen lesen können, bleibt die Botschaft oft verborgen. Vorlesegeräte sind dann eine gute Lösung. Sie machen die Wörter hörbar und sind eine echte Erleichterung im Alltag, etwa beim Restaurantbesuch. Lassen Sie uns entdecken, wie die verschiedenen Vorlesegeräte für Blinde funktionieren.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Restaurant. Um eine Speise zu bestellen, müssen Sie zunächst wissen, was die Küche zubereitet. Einen Überblick über das Menü bietet die Speisekarte. Doch diese ist in Schwarzschrift gedruckt. Für Normalsehende stellt das keine Barriere dar, anders ist das bei blinden Menschen oder Personen mit einer ausgeprägten Sehbehinderung. Hier entstehen automatisch Abhängigkeiten – Betroffene müssen die Begleitung oder den Kellner bitten, ihnen die Speisekarte vorzulesen. Ähnliche Situationen gibt es in vielen anderen Lebensbereichen. Um die Barrieren für Blinde abzubauen, gibt es Vorlesegeräte. Dabei handelt es sich um kompakte Gerätschaften, die gedruckte beziehungsweise mit der Maschine geschriebene Schwarzschrift in Sprache umwandeln. Kurzum: Die geschriebenen Worte werden gescannt oder per Kamera erfasst, analysiert und mit einer synthetischen Stimme wiedergegeben.
Vorlesegeräte und Screenreader – das sind die Unterschiede
Es existieren mehrere Möglichkeiten, Text in Sprache umzuwandeln. Neben den klassischen Vorlesegeräten gibt es Screenreader für Blinde. Sie haben den gleichen Zweck wie Vorlesegeräte: Sie bauen Hürden ab und dienen so der Informationsbeschaffung. Genauso wie bei den Vorlesegeräten liest eine synthetische Stimme den Textinhalt vor. Die Ausrichtung der Hilfsmittel weicht aber voneinander ab. Screenreader konzentrieren sich auf Bildschirminhalte. Das deuten die Namensbestandteile „Screen“ für „Bildschirm“ und „Reader“ für „Leser“ bereits an. Dafür ist auf Computern, Tablets oder Smartphones eine spezielle Software installiert – sie erkennt den Text auf dem Bildschirm und liest ihn vor. Doch welche Screenreader gibt es? Das sogenannte VoiceOver von Apple und TalkBack von Android sind nur einige Beispiele. Vorlesegeräte können neben digitalem Text auch gedruckten Text wiedergeben. Ein weiterer Unterschied ist, dass Sie ein Vorlesegerät anfassen können, ein Screenreader ist unsichtbar.
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Für wen eignet sich ein Vorlesegerät?
Ein Vorlesegerät eignet sich grundsätzlich für alle Personen, die Schwierigkeiten beim Lesen von Schwarzschrift haben. Das sind zum einen hochgradig sehbehinderte Menschen, die trotz Brille oder Kontaktlinsen auf nicht mehr als 5 % Sehschärfe kommen. Zum anderen profitieren blinde Menschen von Vorlesegeräten – ihnen fehlt das Augenlicht komplett, es liegt eine schwere Störung der Sehfähigkeit vor oder die Sehschärfe beträgt auf dem besseren Auge nicht mehr als 2 %. Ein Vorlesegerät kann Betroffenen dann den Alltag erleichtern.
Folgendes können Vorlesegeräte unter anderem wiedergeben:
- Erhaltene Briefe und Rechnungen
- Speisekarten im Restaurant
- Preisschilder im Supermarkt
- Wegweiser
- Fahrpläne
- Medikamentenpläne
- Beipackzettel von Arzneimitteln
- E-Mails
- Bedienungsanleitungen
- Produktverpackungen
- Kochrezepte
- Kontoauszüge
Wie funktioniert ein Vorlesegerät für Blinde?
Vorlesegeräte werden auch als Lese-Sprech-Geräte bezeichnet. Der Name ist Programm, denn zunächst wird das Schriftgut per Scanner oder Kamera erfasst und anschließend via Sprachausgabe hörbar. Lassen Sie uns gemeinsam Schritt für Schritt entdecken, wie ein Lesegerät funktioniert.
- Einlesen: Ihr Angehöriger hält einen gedruckten Text unter den Gerätescanner. Alternativ kann auch eine Kamera digitale oder maschinengeschriebene Inhalte erfassen.
- Textanalyse: Das Gerät analysiert die Wörter mit der integrierten Text-Erkennungssoftware. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Schritt, denn nur was das Vorlesegerät erkennt, kann es korrekt wiedergeben.
- Sprachausgabe: Nun liest eine klare synthetische Stimme den Text vor. Grafiken und Bebilderungen werden ausgelassen, Buchstaben, Zahlen sowie Sonderzeichen werden in Sprache umgewandelt.
"Vorlesegeräte besitzen einen eingebauten Akku. Ihr Angehöriger kann das Gerät bis zu fünf Stunden am Stück nutzen. Besonders clever ist, dass die Hilfsmittel automatisch in einen Schlafmodus übergehen, wenn sie längere Zeit nicht bedient werden. Prüfen Sie regelmäßig den Akkustand. Am besten laden Sie das Vorlesegerät über Nacht auf. So steht es am nächsten Morgen mit voller Leistungskraft parat."
Dipl. Ges. Oec. (FH) Jennifer Ann Steinort
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Allerlei Technik: das zeichnet Vorlesegeräte für Blinde aus
Alle Vorlesegeräte haben eines gemeinsam: Sie sind kompakt, damit Ihr Familienmitglied das Hilfsmittel überall mit hinnehmen kann. Manche Vorlesegeräte fallen kaum auf, wie OrCam. Das Vorlese- und Erkennungssystem befestigt Ihr Familienmitglied einfach an eine Brille oder Sonnenbrille. Ausgestattet mit einer Minikamera und einem Lautsprecher funktioniert ein OrCam-Reader nach dem gleichen Prinzip wie andere Vorlesegeräte. Eine besondere Ausführung ist OrCam MyEye – das Gerät erkennt neben gedruckten und digitalen Texten auch Gesichter, Geldscheine, Farben und Produkte. Zudem gibt es mehrere Alternativen zu OrCam. Sie sehen wie kleine Kästen aus oder sind stiftähnlich. Doch nicht nur das Äußere fällt unterschiedlich aus, auch die Technik variiert. Einige Vorlesegeräte besitzen einen Bildschirm. Wenn Ihr Angehöriger über eine Restsehschärfe verfügt, kann er sich den eingelesenen Text stark vergrößern und kontrastreich darstellen lassen – so gelingt das Lesen besser. Vorlesegeräte können einen internen Speicher bereitstellen. Ihr Familienmitglied kann hier eingelesene Texte ablegen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder anhören. Mit Such- und Sprungfunktionen navigieren Anwender dann unter anderem durch Buchinhalte. Da nicht jede Person vorgelesenen Texten gleich schnell folgt, kann die Sprechgeschwindigkeit angepasst werden. Auch die Stimme, Tonlage und Lautstärke sind variabel – bei einigen Geräten stehen mehrere Sprachen zur Auswahl.
Welche Vorteile und Nachteile haben Vorlesegeräte?
Vorlesegeräte sind im täglichen Leben eine große Hilfe – keine Frage. Trotzdem haben auch diese Hilfsmittel einige Nachteile. Meine folgende Tabelle zeigt Ihnen genau auf, was für und gegen die Hilfsmittel spricht.
Vorteile von Vorlesegeräten | Nachteile von Vorlesegeräten |
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Das kostet Ihren Angehörigen ein Vorlesegerät für Blinde
Alltagshilfen für blinde und sehbehinderte Menschen kosten unterschiedlich viel. Das gilt für Blindenstöcke, Braillezeilen und Braille-Tastaturen ebenso wie für Daisy-Player, Braille-Schreibmaschinen und Blindenhunde. Bei Vorlesegeräten variiert der Preis ebenfalls. Grundsätzlich müssen Sie mit recht hohen Ausgaben in Höhe von mehreren Tausend Euro rechnen. Zumindest dann, wenn Sie das Vorlesegerät aus eigener Tasche zahlen. Die meisten Geräte befinden sich preislich zwischen 3.000 und 4.000 Euro. Sie möchten genau wissen, wie viel OrCam und Co. kostet? Dann machen Sie am besten einen aktuellen Preisvergleich im Internet. Folgende ungefähren Preise habe ich für Sie beispielhaft zusammengestellt:
- Etwa 3.200 Euro für OrCam MyReader
- Bis 4.200 Euro für OrCam MyEye
- 3.200 Euro für das Leselöwe-Textlesesystem
- Ungefähr 3.250 Euro für Adebar, das Textlesesystem mit Dokumentenkamera
Wann übernimmt die Krankenkasse die Kosten für ein Vorlesegerät?
Ist ein Produkt als Hilfsmittel eingestuft, kann eine Kostenübernahme seitens der Krankenkasse erfolgen. Eine gute Orientierung zum Thema übernahmefähige Hilfsmittel bietet das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes. Darin befinden sich viele Produkte, die das Leben von pflegebedürftigen Menschen und Personen mit chronischen Erkrankungen erleichtern. In der Kategorie 7 „Blindenhilfsmittel“ finden Sie Kompaktgeräte zur Schriftumwandlung, sprich Vorlesegeräte. Die Krankenkasse stimmt der Kostenübernahme dann zu, wenn eine medizinische Begründung vorliegt. Ihr Angehöriger muss entweder blind sein oder eine hochgradige Sehbehinderung mitbringen. Gibt die Krankenkasse ihre Einwilligung, zahlt Ihr Angehöriger für das Vorlesegerät lediglich den Eigenanteil in Höhe von maximal zehn Euro – dieser Betrag entfällt übrigens bei einer Zuzahlungsbefreiung.
Tipps für den Kauf von Vorlesegeräten
Möchten Sie für Ihren Angehörigen das Vorlesegerät auf eigene Kosten beschaffen, haben Sie die freie Wahl. In einem ersten Schritt ermitteln Sie den genauen Bedarf – stellen Sie sich dafür folgende Fragen:
- Möchte sich Ihr Angehöriger überwiegend zu Hause oder unterwegs Text vorlesen lassen? Je nach vorliegendem Bedürfnis ist es besser, ein Gerät für die Brille oder ein leistungsfähiges Tischgerät zu besorgen.
- Benötigt Ihr Familienmitglied weitere Funktionen, wie Gesichts- oder Farberkennung?
- Wie viel Budget bringt der Pflegebedürftige mit? Überprüfen Sie, ob zusätzliche Kosten durch Zubehör wie Kopfhörer, Akkus oder Software-Upgrade entstehen.
Nachdem Sie den genauen Bedarf ausgelotet haben, vergleichen Sie die Funktionen. Welche Informationen gibt der Anbieter zur Leistungsfähigkeit der Texterkennung, zur Sprachqualität, zur Benutzerfreundlichkeit und den Verbindungsmöglichkeiten? Achten Sie darauf, ein Gerät auszuwählen, dass Ihr Angehöriger leicht bedienen kann. Angaben zur Benutzerfreundlichkeit lesen sich aus den Herstellerinformationen aber nicht immer zweifelsfrei heraus – werfen Sie daher auch einen Blick auf die Bewertungen und Erfahrungsberichte. Doch Achtung: Diese sind immer subjektiv, am besten sammelt Ihr Angehöriger die Erfahrungswerte selbst. Informieren Sie sich daher auch unbedingt über das Rückgaberecht.
Häufige Fragen zu Vorlesegeräten für Blinde
Vorlesegeräte funktionieren immer nach dem gleichen Prinzip: Sie lesen den Text via Kamera oder Scanner ein, analysieren ihn und geben den Inhalt als Sprache aus.
Damit ist in der Regel OrCam gemeint, ein Vorlese- und Erkennungssystem. Es wird an einer Brille oder Sonnenbrille angebracht und liest digitalen oder gedruckten Text vor.
Ja, es gibt auch stiftförmige Vorlesegeräte. Sie sind besonders kompakt und eignen sich gut für unterwegs.
Vorlesegeräte sind frei verkäuflich – es gibt sie in speziellen Fachgeschäften und in zahlreichen Onlineshops. Hier lohnt sich ein Preisvergleich, um Kosten zu sparen.
Unter bestimmten Voraussetzungen bezahlt die Krankenkasse Vorlesegeräte. Der Antragsteller muss entweder blind sein oder eine hochgradige Sehbehinderung mitbringen, sprich eine medizinische Indikation haben.
Hat Ihnen etwas gefehlt? Schreiben Sie uns gerne!
Vielen Dank für Ihr Feedback! Gibt es noch weitere Themen, die Sie interessieren? Schreiben Sie uns gerne.
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