Kolumne
Dipl. Ges. Oec. (FH) Jennifer Ann Steinort
Medizin- und Familienjournalistin
Aktualisiert am 08.04.2025
149 mal angesehen

Vor einigen Jahren habe ich zum ersten Mal den Film „The Beach“ gesehen. Darin baut sich eine Gruppe abenteuerlicher Menschen in einer paradiesischen Umgebung ihren Lebensmittelpunkt auf. Jede Person hat ihre Aufgabe und trägt so zum gesellschaftlichen Zusammenleben bei. Doch eines Tages kommt es zu einer Tragödie, einem Haiangriff. Ein Mitglied wird schwer verletzt und erholt sich von dem Unfall nicht. Anfangs nimmt die Gruppe noch Rücksicht auf ihn, später wird der von Schmerzen geplagte Mann zu einer Belastung, sein Leid passt so gar nicht in das paradiesische Bild, also wird er kurzerhand in der Nähe in ein Zelt ausgelagert. Die Gruppe fühlt sich schnell besser – gemäß dem Sprichwort „Aus dem Auge, aus dem Sinn“ kehrt sie zu ihrer Normalität zurück.

Auch in der Tierwelt gibt es einige Beispiele, in denen verletzte Mitglieder ausgeschlossen werden. Honigbienen und Schimpansen reagieren rigoros auf erkrankte Artgenossen – diese haben in der Gruppe keinen Platz. Ich behaupte aber, dass unser Verhalten vielmehr dem von Elefanten ähnelt. Die Tiere kümmern sich nämlich rührend um verletzte, kranke oder alte Artgenossen. Sie erhalten Futter, Schutz und sogar Streicheleinheiten von den fitten Kameraden, also tatsächlich so ähnlich wie bei uns. Doch auch wenn Sie Ihren Angehörigen hegen und pflegen, schlummert vielleicht auch bei Ihnen tief im Inneren die eine Frage, die sobald sie aufkommt, ein schlechtes Gewissen auslöst: „Wäre nicht alles einfacher, wenn mein Angehöriger woanders untergebracht wäre?“ Lassen Sie diesen Gedanken ruhig zu, denn sonst erhalten Sie nie eine Antwort auf die quälende Frage.

Pflegeheim: Mehr Abstand, weniger Belastung?

Eine klassische Unterbringung wäre in dem Fall ein Pflegeheim. Auch in dem Zusammenhang findet das Sprichwort „Aus dem Auge, aus dem Sinn“ Anwendung. Dabei handelt es sich um das psychologische Phänomen, dass wir uns tendenziell auf das konzentrieren, was wir bewusst wahrnehmen. Kümmern Sie sich also nicht jeden Tag im häuslichen Umfeld um Ihren Angehörigen, sondern besuchen ihn stattdessen mehrmals pro Woche im Pflegeheim, bleiben Ihnen wahrscheinlich viele Sachen erspart, mit denen Sie sonst konfrontiert werden. Da Sie nun nicht mehr die Grundpflege, also die Ernährung, Körperpflege und Mobilisation, übernehmen, bleibt Ihnen zum Beispiel die tägliche Erkenntnis, dass Ihr Familienmitglied immer weiter abbaut, erspart. Das Gleiche gilt vielleicht für hitzige Diskussionen und den allgemeinen Pflegeaufwand.

Aus dem Auge aus dem Sinn ist nicht weitergedacht

Nur, weil Ihre Aufmerksamkeit durch die Umschichtung der Pflegeaufgaben nun größtenteils woanders liegt, bedeutet das natürlich nicht, dass Ihr Angehöriger tatsächlich aus Ihren Gedanken verschwunden ist. Für einige Familienmitglieder ist die Gewissheit, dass ihr geliebter Vater oder ihre geliebte Mutter in einem Pflegeheim verweilt, mitunter quälender. Bei der Pflege gibt es kein Patentrezept – weder das Pflegeheim noch die häusliche Versorgung passt zu jeder Pflegesituation. Erforderlich ist eine individuelle Lösung, die unterschiedliche Faktoren berücksichtigt.

Viele Angehörige entschließen sich beispielsweise dazu, sich größtenteils selbst um ihr Familienmitglied zu kümmern und lassen sich im Alltag durch einen ambulanten Pflegedienst unterstützen. Auch eine osteuropäische Betreuungskraft, die ins häusliche Umfeld einzieht, kann ein Weg sein. Eine passende Lösung lässt sich am besten finden, wenn die Suche frühzeitig beginnt.

Die richtige Entscheidung ohne Reue treffen

Haben Sie also das Gefühl, dass Ihnen alles zu viel wird, und zweifeln Sie die jetzige häusliche Versorgung öfter den je an, ist es Zeit, aktiv zu werden. Warten Sie nicht, bis Ihnen buchstäblich alles über den Kopf wächst und Sie resignieren – denn dann besteht die Gefahr, dass Sie entweder etwas vorschnell entscheiden, mit dem Sie hinterher nicht glücklich sind, oder Sie halten die Situation einfach weiter aus und leiden darunter. Egal, für welche Versorgungsform Sie sich entscheiden, haben Sie kein schlechtes Gewissen. Im Gegensatz zur anfangs erwähnten Gruppe mit dem Zelt treffen Sie eine Entscheidung, die für alle Beteiligten vorteilhaft ist. Der behandelnde Arzt, die Pflegekraft vom ambulanten Pflegedienst oder ein Mitarbeiter bei der Pflegeberatung kann Ihnen bei der Entscheidung helfen, welche Versorgung sich für Ihren Angehörigen am besten anbietet – die Entscheidung liegt aber jederzeit bei Ihnen.

"Humorvoll, bissig, aber stets mit viel Herz für den Pflegesektor – die Kolumne von Diplom-Gesundheitsökonomin (FH) Jennifer Ann Steinort nimmt sich den wichtigen Themen in der Pflege an. "

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