
Hilfe, die Einsamkeit frisst mich auf!
Liebe Fürsorgenden und Umsorgten,
kennen Sie ein Gefühl der inneren Leere und Unzufriedenheit, ein Gefühl, dass sich aus dem Nichts anschleicht und einen zu überwältigen scheint? Dann haben Sie aller Wahrscheinlichkeit nach bereits Bekanntschaft mit der Einsamkeit gemacht.
Auch mir ist dieses Gefühl nicht fremd – ich kenne es aus Zeiten des Umbruchs und von ungewöhnlichen Lebenslagen. Ich fühlte mich damals zum Beispiel einsam, als ich von meinem kleinen Dorf zum Studieren in die Großstadt gezogen bin (ich kannte dort wirklich niemanden) und auch die Coronakrise hat damals bei mir, wie auch bei vielen anderen Menschen, ihre Spuren hinterlassen. Einsamkeit ist etwas, das schwer zu fassen ist. Heruntergebrochen ist damit eine unangenehme Erfahrung gemeint, unter der Personen die sozialen Beziehungen als stark ausbaufähig empfinden. Das bezieht sich nicht nur auf die Anzahl der Kontakte, sondern auch darauf, wie erfüllend diese wahrgenommen werden. Kurzum: Auch jemand, der mitten in einer Menschenmenge sitzt, kann sich einsam fühlen.
Nicht gesund gleich einsam?
Es gibt viele Gründe für Einsamkeit – das damit verbundene Gefühl zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten und betrifft Menschen in sehr unterschiedlichen Lebenslagen. Außerdem können sich junge genauso wie alte Menschen einsam fühlen. Doch es existieren einige Zusammenhänge, die auffallen. Diese sind in dem sogenannten Einsamkeitsbarometer des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend festgehalten. Hier unterstreichen verschiedene Daten die Annahme, dass Gesundheit und Einsamkeit fest miteinander verknüpft sind. Dazu eine mahnende Zahl: Ein Blick ins Jahr 2021 zeigte, dass 60,7 Prozent derjenigen Personen, die mit erhöhten Einsamkeitsbelastungen zu kämpfen haben, eine unterdurchschnittliche körperliche Gesundheit besitzen – das kann sich grundsätzlich auf die psychische oder körperliche Gesundheit beziehen. Ist es da nicht nahe liegend, dass sich insbesondere pflegebedürftige Menschen einsam fühlen? Tatsächlich hat eine Studie des Sozialverbands VdK, die sich mit der häuslichen Pflege beschäftigte, aufgedeckt, dass sich 23 Prozent der rund 3700 befragten pflegebedürftigen Personen einmal pro Woche einsam fühlt, 19 Prozent waren sogar täglich betroffen.
„Ich bin nicht frei, also bin ich einsam“
Ein wesentlicher Zündstoff für Einsamkeit im Pflegealltag sind die vorliegenden Einschränkungen. Mal eben zum Freunde treffen ins Café um die Ecke oder an den früher heiß geliebten Wanderungen mit Bekannten teilnehmen? Fehlanzeige! Eine Pflegebedürftigkeit ist nicht immer, aber häufig, mit Mobilitätseinschränkungen verbunden, hinzu können psychische Beeinträchtigungen kommen, die die Teilnahme an der Gesellschaft ebenfalls erschweren. Doch selbst wenn Ihr Angehöriger offensichtlich gut in ein soziales System eingebettet ist, zum Beispiel mit wöchentlichen Teilnahmen am Seniorencafé, kann die Einsamkeit eine Rolle im Alltag spielen. Schließlich ist es vielfach so, dass sich einsame Menschen in ihrem Bedürfnis nach Kontakt und Zugehörigkeit nicht ausreichend befriedigt fühlen.
Häufige Kontakte sind nämlich kein Garant für ein Zugehörigkeitsgefühl. Wie Sie sehen, ist das Thema gar nicht so einfach – es ist komplex und viele Betroffene sprechen nicht gerne über ihre Einsamkeit. Trotzdem sollten Sie Ihrem Angehörigen Gesprächsbereitschaft signalisieren. Finden Sie zudem heraus, ob Ihr Familienmitglied bei bestimmten Kontakten besonders aufblüht, zum Beispiel mit den Enkeln oder mithilfe technischer Möglichkeiten, die Personen mit den gleichen Interessen via Smartphone und Co. in Verbindung bringen. Mein persönlicher Tipp ist das „Silbernetz“, mit einer verantwortlichen Person durfte ich schon einmal ein Interview führen und war schwer begeistert. Das kostenfreie, anonyme Angebot richtet sich an einsame Menschen, die 60 Jahre oder älter sind – hier werden unter anderen Telefonfreundschaften vermittelt.
Noch ein paar Worte für Sie, liebe pflegende Person
Die Debatte rund um Einsamkeit im Pflegealltag dreht sich meist um pflegebedürftige Menschen – das ist richtig und wichtig, vergisst aber oft, dass auch Pflegende sich von der Einsamkeit zerfressen fühlen können. Eine intensive Pflege lässt wenig Spielraum für die eigenen Bedürfnisse, vielleicht fühlen auch Sie sich am Tagesende zu abgekämpft, um noch soziale Kontakte wahrzunehmen. Doch bitte, vergessen Sie sich trotz ihrer Lebensaufgabe nicht selbst. Nehmen Sie wichtige Pflegekassenleistungen, wie die Verhinderungspflege oder den Entlastungsbetrag in Anspruch.
Ihre Jennifer Ann
"Humorvoll, bissig, aber stets mit viel Herz für den Pflegesektor – die Kolumne von Diplom-Gesundheitsökonomin (FH) Jennifer Ann Steinort nimmt sich den wichtigen Themen in der Pflege an. "
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