Kolumne
Dipl. Ges. Oec. (FH) Jennifer Ann Steinort
Medizin- und Familienjournalistin
Aktualisiert am 08.04.2025
241 mal angesehen

„Wohnst du noch oder lebst du schon?“ – wer denkt bei dem Werbeslogan nicht an das schwedische Möbelhaus, das uns regelmäßig mit Duftkerzen und Köttbular versorgt. Ähnlich einprägsame Wörter lassen sich auch auf den Pflegesektor übertragen, sind hier aber kein Marketinggag, sondern bilden eine Frage, die durchaus zum Nachdenken anregt.

Lassen Sie das Gelesene einmal auf sich wirken: LEBEN SIE SCHON ODER PFLEGEN SIE NOCH? In mir sträubt sich alles. Was soll so eine Frage? Beides muss sich doch nicht ausschließen. In einigen Haushalten aber eben doch – insbesondere bei Schwerstpflegebedürftigen, die den Großteil des Tages auf eine helfende Hand angewiesen sind oder wenn Angehörige den Job mit ihren Pflegeaufgaben in einen halbwegs homogenen Tag verwursten müssen. Dann tritt das Leben, das über das bloße Existieren hinausgeht, in den Hintergrund – es gibt kaum noch Möglichkeiten, die privaten Ziele zu verfolgen und die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.

Laut einer repräsentativen Umfrage investieren 30 Prozent der Befragten, die sich um ein Familienmitglied kümmern, bis zu 20 Wochenstunden in die Pflege. Das wären heruntergerechnet knapp drei Stunden täglich. Genügend Zeit, um sich mit der eigenen Identität zu beschäftigen und sich Träume zu erfüllen, bleibt dann wohl kaum. Doch ist es das, was das Leben ausmacht oder besteht der Sinn nicht vielmehr darin, etwas zu finden, das dem Alltag Bedeutung verleiht? Ich persönlich bin der Meinung, dass die Pflege Angehöriger auf jeden Fall sinnstiftend sein kann, über sie können wir aber kaum unser Leben definieren. Auch deshalb, weil die Pflege nicht immer nur aus tollen Gesprächen und warmherzigen Momenten besteht, sondern im Alltag auch ihr raues Gesicht zeigt: Wäscheberge, die scheinbar kein Ende nehmen, viel Diskussionsstoff, weil Pflegebedürftige Aufgaben nicht abgeben möchten oder die ständige Angst, dass der demenzkranke Vater das Haus verlässt.

Bei Pflege geht es um Gleichgewicht

Die Pflegesituation gibt also nicht nur viel fürs Leben, sie nimmt auch – nicht immer hält sich das in der Waage. Durch meine berufliche Tätigkeit habe ich die Gelegenheit, mich mit pflegenden Angehörigen auszutauschen. Sie berichten davon, dass ihnen Pflegebedürftige viel Dankbarkeit entgegenbringen und sie insgesamt das Gefühl haben, einen richtigen und wichtigen „Job“ zu machen. Sehr oft höre ich aber auch, dass die Pflege gefühlsmäßig einen zu großen Platz in ihrem Leben einnimmt und sie verzweifelt um Ruhepausen im Alltag kämpfen. Und genau das ist der Punkt: Bei der Pflege geht es nicht um Aufopferung, niemand verlangt, dass Sie Ihr Leben in den Ruhemodus setzen, um ein anderes zu „retten“. Es geht vielmehr darum, ein Gleichgewicht zu schaffen – zwischen Ihren und den Bedürfnissen Ihres Angehörigen. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, schließlich können Sie nicht einfach zur Tür rausspazieren und sich eine Woche nicht blicken lassen.

Nehmen Sie Hilfe an, um nicht nur zu pflegen, sondern auch um zu leben

Glauben Sie, dass es Ihrem Angehörigen anfangs leichtgefallen ist, um Hilfe zu bitten? Wahrscheinlich nicht, schließlich sind die meisten Menschen um möglichst viel Selbstständigkeit bemüht – loszulassen und jemand anderem das Ruder zu übergeben, ist zunächst ungewohnt. Doch mit der Zeit hat Ihr Familienmitglied mit Sicherheit die Erfahrung gemacht, dass es sich mit Unterstützung viel einfacher leben lässt. Genau an diesem Punkt sind Sie womöglich jetzt auch. Es gibt viele Leistungen der Pflegekasse, mit denen Sie die Gelegenheit erhalten, Ihr Leben wieder mehr in den Vordergrund zu hohlen. Nur für den Fall, dass Sie jetzt denken, dass es Ihre Pflicht ist, alleine für Ihren Angehörigen zu sorgen, möchte ich direkt widersprechen. Wenn man überhaupt von Pflicht reden kann, dann wäre es die Pflicht, Ihrem Familienmitglied bestmöglich zur Seite zu stehen und das können Sie nur, wenn Sie nicht auf der Strecke bleiben. Daher mein Rat: Suchen Sie einen Pflegestützpunkt auf und informieren Sie sich über Angebote, wie die Verhinderungspflege, Pflegesachleistungen und den Entlastungsbetrag. Finden Sie heraus, wie Sie sich ein Netz aus Unterstützungsmaßnahmen aufbauen, das Sie im Alltag auffängt, denn auch Ihr Leben darf trotz Ihres bewundernswerten Engagements nicht zu kurz kommen. Anstatt zu leben, um zu pflegen, pflegen und leben Sie künftig gleichberechtigt oder zumindest gleichberechtigter.

"Humorvoll, bissig, aber stets mit viel Herz für den Pflegesektor – die Kolumne von Diplom-Gesundheitsökonomin (FH) Jennifer Ann Steinort nimmt sich den wichtigen Themen in der Pflege an. "

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