Kolumne
Dipl. Ges. Oec. (FH) Jennifer Ann Steinort
Medizin- und Pflegejournalistin
Erstellt am 23.06.2025

Liebe Fürsorgenden und Umsorgten,

letzte Woche stand ich in unserem kleinen Städtchen für ein Eis an. Für mich kein großes Ding: Eissorte aussuchen, bezahlen und los geht‘s mit dem Schleckvergnügen. Hinter mir in der Schlange reihte sich eine Frau ein – sie hatte ein Kind im Rollstuhl dabei und noch ein Geschwisterkind. Wir kamen schnell ins Gespräch. Zu meiner Überraschung erzählte sie mir völlig frei von der körperlichen Beeinträchtigung ihrer Tochter, von den Hürden im Alltag und was es bedeutet, hier ein Eis kaufen zu gehen. Das stimmte mich nachdenklich. Mich überkam das Gefühl, dass pflegebedürftige Kinder und ihre Eltern ein Schattendasein fristen. Die Pflegetätigkeiten weniger als bei erwachsenen Pflegebedürftigen anerkannt werden, sie besonders mit Bürokratie zu kämpfen haben und ihnen die Perspektive fehlt – doch ist das wirklich so?

Jedes Kind ist anfangs pflegebedürftig, doch dann….

Wir alle kommen hilflos auf die Welt. Über viele Jahre entwickeln wir die körperliche und kognitive Reife, um uns irgendwann loslösen. Bis es so weit ist, benötigen wir jedoch Unterstützung von unserem Umfeld. Doch es gibt auch Menschen, die ein Leben lang pflegebedürftig bleiben, und das von Kindesbeinen an. Einige von ihnen haben von Geburt an körperliche oder geistige Einschränkungen. Bei anderen ergeben sich die Beeinträchtigungen durch chronische Erkrankungen. Laut der Pflegestatistik 2023 sind beinahe 5,7 Millionen Menschen hierzulande pflegebedürftig und verfügen über einen anerkannten Pflegegrad. Pflegebedürftige Kinder unter 15 Jahren machen hier gerade einmal 4,7 Prozent aus. Möglicherweise ist der vergleichsweise kleine Anteil der jungen Pflegebedürftigen der Grund für die vermeintliche „Unsichtbarkeit“. Vielleicht werden die Bemühungen pflegender Angehöriger in der Gesellschaft deshalb so leicht übersehen. Dazu kommt, dass die Pflegebedürftigkeit in unseren Köpfen meist mit einem höheren Lebensalter verknüpft ist. Tatsächlich steigt das Risiko für die Pflegebedürftigkeit mit dem Alter rapide an – Kinder passen hier nicht so recht ins Bild. Weitergedacht ist das aber natürlich Quatsch, denn Pflegebedürftigkeit kann jeden, in jedem Alter treffen. Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt: Da kleine Kinder von Natur aus einen Pflegebedarf haben, ist für Außenstehende auf den ersten Blick nicht klar, was der Pflegebedürftigkeit und was dem jungen Alter zuzuschreiben ist.

Zwischen Aufopferung und eigenen Bedürfnissen

Pflegebedürftige Kinder werden fast immer zu Hause versorgt, selbst bei ausgeprägten Behinderungen und schwerwiegenden Erkrankungen. Viele Familien jagen von einem Termin zum nächsten – zwischen Arztbesuchen, Therapieterminen Anträgen für Fahrdienste zur Schule und Hilfsmittelverordnungen bleibt nur wenig Zeit für die eigenen Bedürfnisse. Mit einer Freundin mal einen Kaffee trinken gehen oder eine entspannte Zeit in der Badewanne, für viele pflegebedürftige Angehörige ist das die Ausnahme. Was zusätzlich an Betreffenden nagt, ist aber die mangelnde Perspektive – das weiß ich aus Gesprächen mit einer Familie aus dem Bekanntenkreis. Sie hat zwei Kinder mit schwerem Autismus. Mittlerweile sind die Kinder im Teenageralter. Alle Bemühungen, den Nachwuchs in das Arbeitsleben zu integrieren und sie mit mehr Erfolgsaussichten im betreuten Wohnen unterzubringen, waren bisher erfolglos. Die Eltern bleiben ratlos mit der schmerzlichen Frage zurück: Was soll aus meinen Kindern werden, wenn ich mal nicht mehr bin?

Junge Pflegebedürftige in einer Umgebung für Alte

Seniorentreffs, Seniorencafés und Seniorenresidenzen – in unserer Gesellschaft gibt es viele Angebote für ältere Menschen, hier kommen oft Personen mit körperlichen Einschränkungen zusammen. Selbsthilfegruppen beziehungsweise Vereine für Familien mit pflegebedürftigen Kindern laden ebenfalls zum Austausch, Gemeinschaft und Unterstützung ein. So niederschwellig wie bei Senioren geschieht das im Normalfall aber nicht. Hinzu kommt, dass die stationären Maßnahmen für Kinder rar gesät sind. Die vorhandenen Pflegeangebote sind zumeist auf ältere Menschen zugeschnitten, junge Pflegebedürftige können hier mit ihren Bedürfnissen untergehen. Sie haben häufig andere Vorstellungen von Freizeitangeboten, einen größeren Wissensdurst und möchten ihr Leben aktiv gestalten. Natürlich kommt es hier auch immer ein Stück weit auf den Grad der Behinderung an. Ich finde, es muss vieles geschehen – mehr Akzeptanz und Sensibilisierung für die Pflegebedürftigkeit im Kindesalter wäre ein entscheidender Schritt.

Der Alltag mit einem pflegebedürftigen Kind ist von vielen Herausforderungen geprägt, er bietet aber auch viele wertvolle Momente. Um diese besser genießen zu können, informieren Sie sich über mögliche Unterstützungsmaßnahmen. Eine Pflegeberatung informiert Sie etwa über Leistungen der Krankenversicherung, Pflegeleistungen, Nachteilsausgleiche oder Leistungen zur Teilhabe.

Ihre Jennifer Ann

"Humorvoll, bissig, aber stets mit viel Herz für den Pflegesektor – die Kolumne von Diplom-Gesundheitsökonomin (FH) Jennifer Ann Steinort nimmt sich den wichtigen Themen in der Pflege an. "

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