Dipl. Ges. Oec. (FH) Jennifer Ann Steinort
Medizin- und Pflegejournalistin
Aktualisiert am 17.06.2025

Liebe Fürsorgenden und Umsorgten,

wenn Sie mich fragen, gehört das Vertrauen zu den sensibelsten Konstrukten innerhalb zwischenmenschlicher Beziehungen. Mühsam aufgebaut, kann es durch wenige Augenblicke zerstört werden. Ich kann mich noch gut an eine solche Erfahrung erinnern. Einst hatte ich eine innige Beziehung zu dieser einen Freundin – zwischen uns passte, wie es so schön heißt, kein Blatt Papier. Doch dann begann sie plötzlich unsere Verabredungen zu vergessen – ich saß fertig gestriegelt und mit Schuhen im Flur und niemand kam. Nach und nach bröckelte das Vertrauen und bereitete der Freundschaft irgendwann ein Ende, schade eigentlich.

Doch das zeigt, dass Vertrauen der Kitt ist, der Beziehungen zusammenhält. Hierbei kommt es nicht darauf an, um welche Art von Beziehung es sich handelt: Vertrauen ist bei Freundschaften, in der Familie, zwischen Kollegen und vor allem in Pflegesituationen wichtig.

Wir alle müssen erst lernen, zu vertrauen

Die Fähigkeit, jemandem vertrauen zu können, wird uns nicht automatisch in die Wiege gelegt, sondern ist erlernt. Ihren Ursprung hat sie in der Kindheit – hier fährt das Vertrauen zweigleisig: Zum einen lernen Kinder im besten Fall, dass sie nahestehenden Menschen, wie den Eltern, vertrauen können, zum anderen wächst das Vertrauen in sich und die eigenen Begabungen, also das Selbstvertrauen. Diese zwei empfindlichen „Vertrauenspflänzchen“ wachsen durch positive Erfahrungen mit der Zeit weiter heran und bilden das sogenannte Urvertrauen. Bis ins hohe Erwachsenenalter bestimmen sie darüber, wie wir mit uns selbst und den Menschen umgehen, die uns begegnen.

So kommt es, dass Pflegende recht schnell das Vertrauen einiger Pflegebedürftiger gewinnen können, andere hingegen misstrauischer sind – womöglich wurden sie in der Vergangenheit öfter enttäuscht und bewahren sich mit einem gesunden Misstrauen vor schädlichen Einflüssen. Seien Sie Ihrem Angehörigen also nicht böse, wenn er der Dame vom ambulanten Pflegedienst mit einer ordentlichen Portion Misstrauen gegenübersteht.

Darum ist Vertrauen in der Pflege wichtig

Wer pflegebedürftig ist, befindet sich ein Stück weit in einer verletzlichen Situation – das gilt für Menschen aller Pflegegrade. Neben grundlegenden Pflegebereichen, wie der Ernährung, Mobilität und Körperpflege, geht es auch um die Befriedigung emotionaler und sozialer Aspekte. Egal, ob es sich um eine stationäre oder häusliche Pflege handelt: Vertrauen ist mit einem Sicherheitsgefühl verbunden und kann Ängste reduzieren. Sich auf jemanden einlassen zu können, stärkt die Kommunikation und erleichtert verschiedene Pflegemaßnahmen rund um Körper sowie Seele. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist Ihr Angehöriger unter anderem eher gewillt, die ansonsten gerne abgelehnten Medikamente einzunehmen, wenn er der aushändigenden Person vertraut. Grundsätzlich muss sich Ihr Familienmitglied darauf verlassen können, dass die Pflegeperson regelmäßig auftaucht, Bedürfnisse erkennt und sie erfüllt. Dabei ist ein besonderer Ausdruck von Vertrauen von entscheidender Bedeutung: Das Anvertrauen.

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen

Ich lehne mich an dieser Stelle aus dem Fenster und behaupte, dass die Pflege die Königsklasse des Vertrauens ist – kaum in einem anderen Bereich ist so viel davon gefragt. Pflegende stoßen im Alltag in intime Sektoren vor, sei es bei der Körperpflege oder dem emotionalen Wohlbefinden. Wer aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit jemandem sein Leib und Leben anvertrauen muss, befindet sich in einer Art Abhängigkeit – mit der richtigen Pflegeperson an seiner Seite, empfindet das Ihr Angehöriger aber nicht zwangsweise als negativ.

Bauen Sie dafür ein bestmögliches Vertrauensverhältnis auf oder fördern Sie dieses zwischen einer Pflegekraft und Ihrem Familienmitglied. Wie das geht? Vor allem mit Verlässlichkeit! Den Versprechen sollten immer Taten folgen, Missverständnisse frühzeitig aufgeklärt und anvertraute Dinge unbedingt sensibel gehandhabt werden. Ehrlichkeit, aber auch aufrichtiges Interesse und ein wertschätzendes Pflegeumfeld fördern Vertrauen – manchmal kann es auch helfen, selbst ein Stück Verletzlichkeit zu offenbaren. Vertrauen entsteht aber nicht über Nacht, sondern durch eine Reihe positiv empfundener Situationen. Ähnlich wie ein Eichhörnchen, das viel Zeit aufwendet, um an die begehrte Nuss zu kommen, muss sich das Vertrauenskonto erst füllen.

Viele ambulante Pflegedienste werben mit Slogan wie „Der Pflegedienst Ihres Vertrauens“ – stellen Sie die Mitarbeiter am besten auf die Probe. Wie transparent kommunizieren Sie mit Ihrem Familienmitglied, melden Sie sich, wenn sie sich verspäten und haben sie ein offenes Ohr bei Problemen? Fragen Sie Ihren Angehörigen doch mal direkt, wie viel Vertrauen er zu der Person hat.

Ihre Jennifer Ann

"Humorvoll, bissig, aber stets mit viel Herz für den Pflegesektor – die Kolumne von Diplom-Gesundheitsökonomin (FH) Jennifer Ann Steinort nimmt sich den wichtigen Themen in der Pflege an. "

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