
Wie viel Humor verträgt die Pflege?
Die Clowns sind los – ihr Markenzeichen: Künstliche rote Nasen und ein Frohsinn, der ansteckt. Mit viel Humor und Einfühlungsvermögen bringen die Clowns Abwechslung in den Alltag von Menschen. Entsendet werden sie beispielsweise von der künstlerischen Organisation „ROTE NASEN“. Wer jetzt ausschließlich an Kinderstationen denkt, denkt nicht weit genug, denn die Clowns besuchen auch Pflegeeinrichtungen für Erwachsene. Schließlich profitieren sie ebenfalls von einer Prise Humor, und das nachweislich.
Welche Auswirkungen das Lachen auf den Körper hat, wird in einem eigens dafür geschaffenen Forschungsfeld untersucht, der Gelotologie. Doch in welchem Umfang trägt Humor im Pflegealltag tatsächlich zum Wohlbefinden bei? Ich habe mir das einmal näher angesehen und bin nach wie vor überrascht, denn das Lachen, das bestenfalls Ergebnis humoristischer Einlagen ist, spricht mehr als nur die Gesichtsmuskulatur an. Lachen beeinflusst das Immunsystem positiv – Immunzellen vermehren sich und sind reger unterwegs. Außerdem können durch das Lachen Stresshormone ab- und Endorphine, die körpereigenen Schmerzmittel, zunehmen, gleichzeitig sinkt das Schmerzempfinden. Nicht zuletzt stimulieren Lacheinlagen das Herz-Kreislaufsystem und entspannen die Muskulatur.
Humor ist eine Wohltat für die Psyche Pflegebedürftiger
Auf der emotionalen Basis ist Humor oft der Retter in der Not: Gesundheitliche Probleme können dadurch zeitweise in den Hintergrund rücken und Ängste überwunden werden. Wer über sich selbst lachen kann, ebnet auch den Weg für einen Perspektivenwechsel. Auf eine humoristische Stichelei hin, können sich Pflegebedürftige beispielsweise fragen: „Stimmt das, bin ich wirklich ein morgendlicher Miesepeter?“ In jedem Fall ist Humor ein wichtiges Kommunikationsmedium. Es verbindet, schafft einen Zugang zum Pflegebedürftigen und kann selbst unangenehme Alltagssituationen entschärfen.
Allerdings gibt es trotz der ganzen Vorteile eine Krux an der ganzen Sache, denn wer Humor in den Pflegealltag bringt, der bewegt sich nicht selten auf dünnem Eis. Tatsächlich gleicht es einer Gratwanderung, Pflegebedürftige zum Lachen zu bringen, aber auch zu wissen, wann Humor unangebracht ist oder wann es reicht. Ein Witz in der falschen Situation, Galgenhumor oder ein süffisanter Blick kann pflegebedürftige Menschen verletzen, ihr Selbstwertgefühl herabsetzen oder sie in Rage bringen.
Wie viel Humor die Pflege verträgt, ist stets eine individuelle Frage. Während einige Pflegebedürftige Ironie und schwarzen Humor, so wie ich, zu schätzen wissen, reagieren andere auf diese Humorformen empfindlich. Manchen Personen kann es gar nicht albern genug sein, andere mögen ihren Alltag eher nüchtern. Erkrankungen können auch das Humorverständnis beeinflussen. Zwar haben Demenzkranke einen Sinn für Humor, Ironie und Sarkasmus können jedoch ihr Ziel verfehlen, da Patienten diese stilistischen Mittel nicht greifen können.
Die richtige Portion Humor kann erlernt werden
Im Pflegealltag tun Sie gut daran, sich langsam an die optimale Humordosis heranzutasten – beobachten Sie Ihr Gegenüber genau, haben Sie den Eindruck, dass die witzige Bemerkung gut angekommen ist? Fragen Sie bei Unsicherheiten ruhig nach! Ganz wichtig: Humor ist keine Einbahnstraße. Wenn Sie Ihren Angehörigen gerne aus der Reserve locken, sollte das auch bei Ihnen drin sein – meiner Erfahrung nach funktioniert ein humorvolles Miteinander am besten, wenn beide dahingehend offen sind. Auch wenn Humor vielfältig und für andere Menschen nicht immer nachvollziehbar ist, sind verspottende oder verhöhnende Witze problematisch, das gilt insbesondere bei der Pflege. Schließlich merken hier Menschen am eigenen Leib, was es heißt, beeinträchtigt zu sein – eine aus der Hand gefallene Gabel ist somit keine Vorlage für einen Witz. Humor in der Pflege ist erlernbar – es gibt sogar spezielle Workshops, um die eigene Humorkompetenz zu schulen.
Mit einem Lachen wird der Tag schöner und müheloser
Sie wissen, dass Ihr Familienmitglied Humor im Alltag zu schätzen weiß? Dann nutzen Sie das aktiv, indem Sie den Mitarbeitern des ambulanten Pflegedienstes einen entsprechenden Wink geben. Vielleicht ist der Besuch einer Kabarettshow oder einer karnevalistischen Büttenrede eine gute Idee für einen gemeinsamen Ausflug. Gerne möchte ich Ihnen ans Herz legen, Humor auch für sich selbst zu nutzen, um von den positiven Wirkungen auf den Körper und die Psyche zu profitieren. Mit regelmäßigen Lachern können Sie beispielsweise anstrengende Pflegetage auflockern und neue Kraft schöpfen. Ich gebe aber zu, dass Humor kein Allheilmittel ist, er macht aus einem schlechten Tag nicht automatisch einen guten, aber hellt die Stimmung auf und schafft Lichtblicke, und diese können wir alle gebrauchen.
"Humorvoll, bissig, aber stets mit viel Herz für den Pflegesektor – die Kolumne von Diplom-Gesundheitsökonomin (FH) Jennifer Ann Steinort nimmt sich den wichtigen Themen in der Pflege an. "
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