
Wer Entlastungsleistungen oder Verhinderungspflege in Anspruch nimmt, muss in der Regel in Vorleistung gehen und die Rechnungen erst einmal selbst bezahlen. Das ist gerade in Haushalten mit pflegebedürftigen Menschen manchmal ein finanzielles Problem, da die Pflege an sich schon sehr teuer ist. Eine Abtretungserklärung könnte da Abhilfe schaffen, trotzdem ist Vorsicht geboten.
Vor einiger Zeit bekam ich die Nachricht eines Pflegenden, der schockiert war über die angeblich geleisteten Stunden eines Dienstleisters, die über die Pflegekasse abgerechnet wurden.
Das Wichtigste im Überblick
Was ist eine Abtretungserklärung?
In der Regel müssen Sie für die entstandenen Kosten für die Betreuungs- und Entlastungsangebote sowie die Verhinderungspflege in Vorleistung gehen und die anfallenden Rechnungen zuerst selbst bezahlen.
Danach reichen Sie die Rechnungen bei Ihrer Pflegeversicherung ein und bekommen diese erstattet, das heißt Sie haben einen Kostenerstattungsanspruch. Wenn Sie eine Abtretungserklärung unterschreiben, kann der Dienstleister direkt mit der Pflegekasse abrechnen.
In der häuslichen Pflege hat die pflegebedürftige Person ein Budget für die Verhinderungspflege von 1.612 Euro jährlich (aufgestockt 2.418 Euro) und für die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen von monatlich 125 Euro.
Verhinderungspflege (oder auch Ersatzpflege genannt) und Entlastungsbetrag sind Erstattungsleistungen, das bedeutet, dass die Pflegekasse dem pflegebedürftigen Angehörigen den verauslagten Betrag gegen Vorlage einer Rechnung oder Quittung erstattet.
Weiterführende Erklärungen zu diesem Thema finden Sie hier:
- Hier erfahren Sie mehr über die Verhinderungspflege.
- Auch eine stundenweise Verhinderungspflege ist möglich. Sie hat den Vorteil, dass Ihnen das Pflegegeld nicht gestrichen wird.
- Hier erfahren Sie alles, was Sie über den Entlastungsbetrag Entlastungsbetrag wissen müssen.
Vorteile einer Abtretungserklärung:
Es hat durchaus seine Vorteile, wenn Sie eine Abtretungserklärung unterschreiben.
- Sie müssen die Rechnungen des Leistungserbringers (z.B. Pflegedienst, caritative Institution, Nachbarschaftshilfe usw.) nicht selbst bezahlen und müssen nicht in Vorleistung gehen.
- Sie müssen die Rechnungen später auch nicht bei der Pflegekasse einreichen, da der Leistungserbringer direkt mit der Pflegekasse abrechnet.
- Sie haben keinen Schriftkram zu erledigen.
- Eine Überwachung, ob der verauslagte Betrag auch von der Pflegekasse an Sie überwiesen wurde, entfällt mit der Abtretungserklärung ebenfalls.
- Die Pflegekasse kann Ihnen gleich sagen, ob der Anbieter der Dienstleistung nach dem geltenden Landesrecht zugelassen ist und die Pflegeversicherung die Kosten für diesen Anbieter auch tatsächlich übernimmt.
Umfassende Informationen über die Betreuungs- und Entlastungsleistungen habe ich Ihnen in diesem Beitrag zusammengestellt: Was Sie über „Angebote zur Unterstützung im Alltag“ wissen sollten.
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Nachteile einer Abtretungserklärung:
Doch das Unterzeichnen einer Abtretungserklärung hat auch ihre Nachteile, die einem vielleicht erst später bewusst werden.
- In der Regel erhalten Sie keinen Nachweis über die abgerechneten Leistungen. Sie wissen also nicht, wieviel Stunden zu welchem Betrag abgerechnet wurden. Sie haben somit keinerlei Kontrolle über die bereits verbrauchten Gelder.
- Der Leistungserbringer rechnet direkt mit der Pflegeversicherung ab. Damit haben Sie keine Übersicht, wieviel Budget Ihnen noch zur Verfügung steht.
- Angenommen, Sie möchten den Entlastungsbetrag für unterschiedliche Hilfen von verschiedenen Dienstleistern in Anspruch nehmen. Wenn Sie die Rechnungen selbst bezahlen, ist das unkompliziert möglich. Haben Sie die Leistungen abgetreten, können Sie nur einen Dienstleister in Anspruch nehmen – und zwar den, dem Sie die Abtretungsvereinbarung unterschrieben haben. Sie sind also gebunden und auf das Leistungsspektrum eines Anbieters beschränkt. Eine Möglichkeit, dies zu umgehen wäre noch, dass Sie die Abtretungsvereinbarung finanziell eingrenzen, indem Sie einen monatlichen Höchstbetrag festlegen, der vom Dienstleister nicht überschritten werden darf.
Kann eine Abtretungserklärung aufgehoben werden
Wenn Sie eine Abtretungserklärung unterschrieben haben, können Sie diese jederzeit widerrufen. Sie sollten das aber unbedingt schriftlich machen und für sich eine Kopie behalten, damit Sie stets nachweisen können, dass Sie den Abtretungsvertrag widerrufen haben und zu welchem Zeitpunkt. Den Widerruf können Sie formlos gestalten.
ExtraTIPP‘s
- Wenn Sie keine Abtretungserklärung unterschreiben, sollten Sie auf alle Fälle mit der Pflegeversicherung abklären, ob der von Ihnen ausgewählte Dienstleister wirklich nach geltendem Landesrecht eine Zulassung hat. Denn nur dann können Sie die Kosten auch tatsächlich erstattet bekommen.
- Vergleichen Sie die Angebote der einzelnen Dienstleister. Gerade der Entlastungsbetrag von 125 Euro im Monat kann schnell verbraucht sein, wenn Stundensätze von 30 Euro und mehr berechnet werden. Ein Pflegestützpunkt oder ein Seniorenbüro bei Ihnen vor Ort kann Ihnen sicherlich Adressen nennen, die entsprechende Betreuungsleistungen zu einem guten Preis-/Leistungsverhältnis anbieten.
- Pflegedienste können mit dem Unterzeichnen des ambulanten Pflegevertrags (z.B. Leistungen für die Grundpflege) auch gleich eine Abtretungserklärung für den Entlastungsbetrag vorlegen. Wenn Sie keine Abtretung des Entlastungsbetrags wünschen, sollten Sie auf keinen Fall die Abtrittserklärung unterschreiben sondern nur den eigentlichen Pflegevertrag für die ambulante Pflege.
Fazit
Wie immer werden hier die Dienstleister, die korrekt abrechnen, von den schwarzen Schafen der Branche automatisch in Mitleidenschaft gezogen. So schön sich die Vorteile einer Abtretungserklärung auch anhören, so sollten Sie doch für sich überlegen, ob es auch Ihren Wünschen entspricht, an einen Anbieter gebunden zu sein und auch keine Kontrolle der Abrechnung zu haben.
Rechtliches
- Die Abtretungserklärung ist im „Bürgerlichen Gesetzbuch BGB § 398“,
- die Verhinderungspflege ist im „Sozialgesetzbuch § 39 SGB XI Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson“ und
- die Entlastungsleistungen sind im „Sozialgesetzbuch § 45b SGB XI Entlastungsbetrag“
geregelt.
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Quelle Bildmaterial: AdobeStock #50107783 © Joachim Lechner
Gemeinsam mit seiner Frau betreut Otto Beier seit 2012 seine pflegebedürftigen Eltern und Schwiegereltern. Er gibt Insider-Tipps für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen und schreibt als Pflegender – direkt von der Front – über seine Erfahrungen mit dem Pflegedschungel.
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14 Antworten auf „Achtung bei Abtretungserklärung für Entlastungsbetrag und Ersatzpflege“
Hallo,
das Pflegegeld ist eine Sozialleistung und nach überwiegender Meinung nicht pfändbar. Ebenso wird das Pflegegeld nicht auf die Leistungen des Sozialamtes angerechnet.
Hallo,
ich bin 70 Jahre, lebe von der Grundsicherung und habe, wegen COPD IV mit Emphysem, den Pflegegrad 2. Das Pflegegeld in Höhe von 316 Euro verwende ich zur Entlohnung meiner privaten Pflegekräfte.
Aus früheren geschäftlichen Aktivitäten sind mir hohe Schulden geblieben und einige Gläubiger haben gerichtliche Titel erwirkt.
Meine Fragen: 1. Kann mir das Pflegegeld gepfändet werden?
2. Kann das Sozialamt mir das Pflegegeld von der mir zustehenden Grundsicherung abziehen?
Danke für eine baldige Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Heinz Krebeck
Hallo,
das Pflegegeld ist nicht als Gehalt anzusehen, sondern soll die „selbst beschaffene Pflege“ sicherstellen. Aus meiner Sicht würde ich zwar meinen, dass es damit nicht angerechnet wird, allerdings kann ich Ihnen nicht sagen, was der Sozialhilfeträger von Ihnen einfordert. Im Zweifel können Sie sich mit den Unterlagen an den örtlichen Pflegestützpunkt wenden, die können die Unterlagen dann sichten und Ihnen eine entsprechende Auskunft geben.
Eher eine Frage: habe ein Schreiben des Sozialamtes über die Zustimmung meine Beitragserstattungsansprüche dem Sozialhilfeträger Landeshauptstadt abzutreten. Wird das Pflegegeld Stufe 2 irgendwie in Mitleidenschaft gezogen?
Sie können Teile des Eigenanteils mit dem Entlastungsbetrag verrechnen.
Mehr dazu hier: Kurzzeitpflege mit dem Entlastungsbetrag verrechnen
Meine Mutter hat Pflegegrad 3 ich pflege sie zu Hause. Nun möchte ich über Weihnachten und Sylvester in den Urlaub fahren. Sie kommt dann in die stationäre Kurzzeitpflege. Kann ich den Eigenanteil mit dem Entlastungsbetrag verrechnen?
Mit freundl. Grüßen
Margit Gronau
Wie aus dem Kommentar weiter unten hervorgeht: der Entlastungsbetrag verfällt zum Stichtag 30.06. eines jeden Jahres, somit für 3 Jahr leider gar nicht.
Sie können den Entlastungsbetrag für „haushaltsnahe Dienstleistungen“, bzw. „niederschwellige Dienstleistungen“ verwenden.
Das sind zumeist die Alltagbegleiter, die von sehr vielen Pflegediensten angeboten werden, die übernehmen z.B. das Putzen, Einkaufen, begleiten zum Arzt. etc. so können Sie den Betrag beanspruchen und sich bei den alltäglichen Arbeiten ein Stück entlasten lassen.
Hallo,
nein, das ist leider nicht möglich. Es müssen immer die entsprechenden Belege bei der Kasse eingereicht werden, die auch über den Entlastungsbetrag abgerechnet werden können. Ein weiterer Punkt ist, dass der Entlastungsbetrag zwar „angespart“ werden kann, aber nur bis zu einem gewissen Stichtag. Das heißt konkret, dass alle Beträge, die bis zum 30.06. eines jeden Jahres nicht genutzt wurden verfallen. Aufgrund der aktuellen Corona-Situation gibt es bei manchen Kassen eine Fristverlängerung auf den 30.09., das sollten Sie aber bei Ihrer Kasse erfragen.
Hallo, wie kann ich den Entlastungsbetrag für die letzten 3 Jahre beanspruchen den ich nicht benötigt habe?
Guten Tag, habe ich das Recht, den Entlastungsbetrag oder einen Teil davon ohne Vorlage einer Rechnung zu verlangen, weil ich ihn in den letzten 3 Jahren nicht benötigt habe?
Hallo,
sprechen Sie hier Ihre Pflegekasse mal an, die Pflegekassen haben in der Regel Listen von Anbietern, über die der Entlastungsbetrag in Anspruch genommen werden kann. Vielleicht gibt es auch noch eine weitere Regelung, falls auch die Kasse keinen Anbieter mehr hat, über die Sie den Entlastungsbetrag anderweitig verwenden können.
Wie kann ich meinen Entlastungsbetrag verbrauchen,wenn umliegende sozialstationen keine freien Mitarbeiter mehr haben
5 Stück haben kein Personal
Ihre Frage darf ich Ihnen aus rechtlichen Gründen nicht beantworten. Trotzdem ein paar unverbindliche Tipps von mir:
Ein Hallo,
habe einem Pflegedienst eine Abtretungserklärung für den Entlastungsbetrag (125 Euro im Monat) unterschrieben.
Jetzt sollen 1.500 Euro minus angefallen sein, die ich aus eigener Tasche begleichen soll. Hätte der Pflegedienst nicht darauf achten müssen, dass nicht zu viele Stunden anfallen und hätte er mich informieren müssen, weniger Stunden zu machen?
Mfg. M.Fuchs