Unterstützen Sie als pflegender Angehöriger Ihre Eltern finanziell? Dann sollten Sie prüfen, ob Ihre Pflegetätigkeit nicht als Naturalunterhalt angesetzt werden kann, also Elternunterhalt als Naturalunterhalt.
Wenn Eltern für ihre Pflegekosten nicht mehr selbst aufkommen können, müssen zuerst die nahen Angehörigen – also die Kinder – für die Eltern aufkommen. Erst dann, wenn die nahen Angehörigen nicht zahlen können, übernimmt das Sozialamt die Kosten. Aber das geht auch anders:
Häufig ist es so, dass die pflegenden Angehörigen nicht nur die Pflegeleistung erbringen, sondern auch noch die finanzielle Unterstützung der Eltern. Ein Urteil des OLG (Oberlandesgericht) Oldenburg hat jedoch bestätigt, dass die Pflegeleistung der Kinder als „Naturalleistung“ angerechnet werden muss.
Das bedeutet: Sind die Eltern auf finanzielle Unterstützung angewiesen, kann der Elternunterhalt auch in Form von praktischer Pflege und Betreuung erbracht werden.
Elternunterhalt als „Naturalunterhalt“
Es ist eigentlich eine Doppelbelastung, wenn die Kinder ihre Eltern sehr ausgeprägt pflegen und dann auch noch zur Kasse gebeten werden, wenn die Eltern nicht mehr selbst für die Pflegekosten aufkommen können. Mit dem Urteil des OLG Oldenburg haben pflegende Angehörige nun die Möglichkeit, ihre Pflegetätigkeit als Naturalleistung beim Sozialamt gegenrechnen zu lassen. Damit wären die pflegenden Kinder ganz oder teilweise von der Geldzahlungspflicht entbunden.
Wie sieht nun das OLG Oldenburg die Sache mit dem Naturalunterhalt? Dazu ein kurzer Exkurs zu der Klage:
Der Fall:
- Eine 95 jährige Dame lebte allein in einer kleinen Wohnung im Betreuten Wohnen.
- Die Dame litt an Demenz, war fast blind und hatte damals Pflegestufe II.
- Da sie stark auf Hilfe angewiesen war, wurde sie von ihrer Tochter betreut und gepflegt.
- Zusätzlich kam auch noch morgens und abends ein Pflegedienst.
- Das Essen erhielt sie über das Betreute Wohnen.
- Die Dame konnte jedoch von ihrer Rente die Kosten für die Einrichtung nicht mehr bezahlen.
- Sie beantragte Sozialhilfe und erhielt diese auch.
Finanzierung der Kosten für das Betreute Wohnen
Da die Rente der pflegebedürftigen Dame nicht ausreichte, musste das Sozialamt die Dame finanziell unterstützen. Daraus ergab sich folgende Rechnung.
Deckung der Kosten für das Betreute Wohnen
Die pflegebedürftige Mutter lebte rechtlich selbstständig in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens und hatte monatliche Kosten in Höhe von 1.363 €.
Diese Kosten wurden gedeckt über:
1. Rente der pflegebedürftigen Person | 801 € |
2. Sozialhilfe | 562 € |
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Das Sozialamt hat daraufhin geprüft, wie sie die Kinder an den 562 Euro Sozialhilfe beteiligen kann und hat die Tochter zu einer Geldleistung in Höhe von 105 Euro verpflichtet.
Die Tochter klagte gegen den Bescheid vom Sozialamt. Sie widersprach dem Bescheid, weil ihre eigene Pflegetätigkeit nicht berücksichtigt und außerdem die Vermögensverhältnisse ihrer Brüder nicht hinreichend offengelegt wurden. Das Gericht gab ihr recht.
Das Einkommen der pflegenden Tochter belief sich auf 1.190 Euro Rente. Gemeinsam mit ihrem Mann hatte sie ein Familieneinkommen von 3.110 Euro.
Das Urteil des Gerichts
- Das Gericht gab der Tochter recht. Sie muss keinen zusätzlichen Barunterhalt an ihre Mutter bezahlen, da die Unterhaltspflicht durch die erbrachten Naturalleistungen umfassend erfüllt ist. Die Tochter pflegt ihre Mutter in erheblichem Umfang und betreut sie regelmäßig.
- Auch das Pflegegeld in Höhe von 140 Euro steht ihr rechtlich zu.
- Außerdem berücksichtigte das Gericht, dass die pflegende Tochter von ihren Geschwistern keinerlei Unterstützung erhält und eine Geldzahlung deshalb eine unbillige Härte wäre. Siehe hierzu § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII.
- Mit der Pflege durch die Tochter wurde außerdem ermöglicht, dass die Mutter weiterhin im Betreuten Wohnen bleiben konnte und nicht in ein wesentlich teureres Pflegeheim umziehen musste. Denn auch die viel höheren Pflegeheimkosten hätten vom Sozialamt bezahlt werden müssen. Es gilt für den Sozialhilfeträger: Häusliche Pflege vor Pflegeheim § 64 SGB XII.
Wichtig bei dieser Entscheidung:
Das Betreute Wohnen ist kein Pflegeheim, sondern eine eigene kleine Wohnungseinheit mit zubuchbaren Dienstleistungen eines Pflegedienstes. Im Prinzip ist das Betreute Wohnen gleichzusetzen mit einer eigenen Wohnung.
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Bei Personen, die im Pflegeheim leben, kann nicht von einer Pflegeleistung von Angehörigen ausgegangen werden.
Werden die Eltern in einem Pflegeheim gepflegt, können Sie sich nicht auf das Urteil des OLG Oldenburg beziehen, da im Pflegeheim die Pflege vom Pflegeheimpersonal erbracht wird.
Nützliche Alltagshilfen: Das Sozialamt ist natürlich darauf bedacht, dass es einen zahlungskräftigen Angehörigen findet, der die Kosten übernimmt. Es kann aber auch nicht sein, dass Personen, die viel Zeit in die Pflege der Eltern investieren, oftmals den Job ganz oder teilweise aufgeben, auch noch unterhaltspflichtig werden. Mein TiPP: Das Sozialamt fordert von Ihnen Elternunterhalt, obwohl Sie Ihre Mutter oder Ihren Vater über das übliche Maß hinaus pflegen und betreuen? Dann sollten Sie unbedingt prüfen, ob diese Forderung tatsächlich rechtens ist. Nehmen Sie sich dazu am besten einen Anwalt, spezialisiert auf Sozialrecht. Übrigens: Kinder müssen dann Unterhalt bezahlen, wenn Vorsicht: Unterhaltspflichtigen Kindern steht ein Schonvermögen zu. Was Sie alles anrechnen können, lesen Sie bitte hier nach Kinder müssen nicht zwingend für Pflegeheimkosten der Eltern aufkommen. Pflegt und betreut ein unterhaltspflichtiges Kind einen pflegebedürftigen Elternteil in erheblichem Maße, kann zusätzlich zur häuslichen Pflegeleistung vom Sozialhilfeträger nicht auch noch eine Geldleistung verlangt werden. Die Entbindung von der Unterhaltspflicht funktioniert nur bei Pflege im häuslichen Umfeld. Auch ein Betreutes Wohnen gehört zum häuslichen Umfeld, da die Bewohner rechtlich selbstständig leben. Wer trotzdem zur Unterhaltsleistung herangezogen wird, sollte sich unbedingt einen Rechtsanwalt nehmen und prüfen lassen, ob die Forderungen berechtigt sind. Tipps zu: Pflegegeld + Pflegeleistungen, Kosten + Zuschüssen Tragen Sie sich jetzt für unseren kostenlosen Newsletter ein, damit Sie sich zukünftig im Pflegedschungel zurecht finden. Unser Newsletter erscheint 1-2 Mal pro Monat. Bildquelle: Canva for Work – free – Copyright: Latino Life Gemeinsam mit seiner Frau betreut Otto Beier seit 2012 seine pflegebedürftigen Eltern und Schwiegereltern. Er gibt Insider-Tipps für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen und schreibt als Pflegender – direkt von der Front – über seine Erfahrungen mit dem Pflegedschungel. Mehr gibt es auch auf Facebook oder Xing, aber vor allem auch bei „Über mich“.
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