Sozialhilfe: Pflege der Eltern zählt als Naturalunterhalt

Wer ein Elternteil pflegt, kann den Elternunterhalt als Naturalunterhalt anrechnen lassen.
Wer ein Elternteil pflegt, muss nicht zwingend Elternunterhalt zahlen.

Unterstützen Sie als pflegender Angehöriger Ihre Eltern finanziell? Dann sollten Sie prüfen, ob Ihre Pflegetätigkeit nicht als Naturalunterhalt angesetzt werden kann, also Elternunterhalt als Naturalunterhalt.



Bitte nicht vergessen!
Mit einem Pflegegrad haben Sie Anrecht auf monatliche Pflegehilfsmittel.


Wenn Eltern für ihre Pflegekosten nicht mehr selbst aufkommen können, müssen zuerst die nahen Angehörigen – also die Kinder – für die Eltern aufkommen. Erst dann, wenn die nahen Angehörigen nicht zahlen können, übernimmt das Sozialamt die Kosten. Aber das geht auch anders:

Häufig ist es so, dass die pflegenden Angehörigen nicht nur die Pflegeleistung erbringen, sondern auch noch die finanzielle Unterstützung der Eltern. Ein Urteil des OLG (Oberlandesgericht) Oldenburg hat jedoch bestätigt, dass die Pflegeleistung der Kinder als „Naturalleistung“ angerechnet werden muss.

Das bedeutet: Sind die Eltern auf finanzielle Unterstützung angewiesen, kann der Elternunterhalt auch in Form von praktischer Pflege und Betreuung erbracht werden.

Pflegen statt Elternunterhalt zahlen:
So geht‘s:

Elternunterhalt als „Naturalunterhalt“

Es ist eigentlich eine Doppelbelastung, wenn die Kinder ihre Eltern sehr ausgeprägt pflegen und dann auch noch zur Kasse gebeten werden, wenn die Eltern nicht mehr selbst für die Pflegekosten aufkommen können. Mit dem Urteil des OLG Oldenburg haben pflegende Angehörige nun die Möglichkeit, ihre Pflegetätigkeit als Naturalleistung beim Sozialamt gegenrechnen zu lassen. Damit wären die pflegenden Kinder ganz oder teilweise von der Geldzahlungspflicht entbunden.

Wie sieht nun das OLG Oldenburg die Sache mit dem Naturalunterhalt? Dazu ein kurzer Exkurs zu der Klage:

Der Fall:

  • Eine 95 jährige Dame lebte allein in einer kleinen Wohnung im Betreuten Wohnen.
  • Die Dame litt an Demenz, war fast blind und hatte damals Pflegestufe II.
  • Da sie stark auf Hilfe angewiesen war, wurde sie von ihrer Tochter betreut und gepflegt.
  • Zusätzlich kam auch noch morgens und abends ein Pflegedienst.
  • Das Essen erhielt sie über das Betreute Wohnen.
  • Die Dame konnte jedoch von ihrer Rente die Kosten für die Einrichtung nicht mehr bezahlen.
  • Sie beantragte Sozialhilfe und erhielt diese auch.

Finanzierung der Kosten für das Betreute Wohnen

Da die Rente der pflegebedürftigen Dame nicht ausreichte, musste das Sozialamt die Dame finanziell unterstützen. Daraus ergab sich folgende Rechnung.

Deckung der Kosten für das Betreute Wohnen

Die pflegebedürftige Mutter lebte rechtlich selbstständig in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens und hatte monatliche Kosten in Höhe von 1.363 €.

Diese Kosten wurden gedeckt über:

1.     Rente der pflegebedürftigen Person801 €
2.     Sozialhilfe562 €

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Das Sozialamt hat daraufhin geprüft, wie sie die Kinder an den 562 Euro Sozialhilfe beteiligen kann und hat die Tochter zu einer Geldleistung in Höhe von 105 Euro verpflichtet.

Die Tochter klagte gegen den Bescheid vom Sozialamt. Sie widersprach dem Bescheid, weil ihre eigene Pflegetätigkeit nicht berücksichtigt und außerdem die Vermögensverhältnisse ihrer Brüder nicht hinreichend offengelegt wurden. Das Gericht gab ihr recht.

Das Einkommen der pflegenden Tochter belief sich auf 1.190 Euro Rente. Gemeinsam mit ihrem Mann hatte sie ein Familieneinkommen von 3.110 Euro.

Das Urteil des Gerichts

  • Das Gericht gab der Tochter recht. Sie muss keinen zusätzlichen Barunterhalt an ihre Mutter bezahlen, da die Unterhaltspflicht durch die erbrachten Naturalleistungen umfassend erfüllt ist. Die Tochter pflegt ihre Mutter in erheblichem Umfang und betreut sie regelmäßig.
  • Auch das Pflegegeld in Höhe von 140 Euro steht ihr rechtlich zu.
  • Außerdem berücksichtigte das Gericht, dass die pflegende Tochter von ihren Geschwistern keinerlei Unterstützung erhält und eine Geldzahlung deshalb eine unbillige Härte wäre. Siehe hierzu § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII.
  • Mit der Pflege durch die Tochter wurde außerdem ermöglicht, dass die Mutter weiterhin im Betreuten Wohnen bleiben konnte und nicht in ein wesentlich teureres Pflegeheim umziehen musste. Denn auch die viel höheren Pflegeheimkosten hätten vom Sozialamt bezahlt werden müssen. Es gilt für den Sozialhilfeträger: Häusliche Pflege vor Pflegeheim § 64 SGB XII.

Wichtig bei dieser Entscheidung:

Das Betreute Wohnen ist kein Pflegeheim, sondern eine eigene kleine Wohnungseinheit mit zubuchbaren Dienstleistungen eines Pflegedienstes. Im Prinzip ist das Betreute Wohnen gleichzusetzen mit einer eigenen Wohnung.

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Bei Personen, die im Pflegeheim leben, kann nicht von einer Pflegeleistung von Angehörigen ausgegangen werden.

Werden die Eltern in einem Pflegeheim gepflegt, können Sie sich nicht auf das Urteil des OLG Oldenburg beziehen, da im Pflegeheim die Pflege vom Pflegeheimpersonal erbracht wird.


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Was bedeutet das Urteil für pflegende Angehörige?

Das Sozialamt ist natürlich darauf bedacht, dass es einen zahlungskräftigen Angehörigen findet, der die Kosten übernimmt. Es kann aber auch nicht sein, dass Personen, die viel Zeit in die Pflege der Eltern investieren, oftmals den Job ganz oder teilweise aufgeben, auch noch unterhaltspflichtig werden.

Mein TiPP: Das Sozialamt fordert von Ihnen Elternunterhalt, obwohl Sie Ihre Mutter oder Ihren Vater über das übliche Maß hinaus pflegen und betreuen? Dann sollten Sie unbedingt prüfen, ob diese Forderung tatsächlich rechtens ist. Nehmen Sie sich dazu am besten einen Anwalt, spezialisiert auf Sozialrecht.

Übrigens:

  • Der Begriff „in erheblichem Umfang“ ist Auslegungssache des Gerichts. Die Pflege und Betreuung muss regelmäßig erfolgen und mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden sein.
  • Pflegen und betreuen heißt nicht, dass Sie eine 24-Stunden-Pflege leisten müssen. Zum Pflegen und Betreuen gehören zum Beispiel auch, dass Sie die Wohnung putzen, einkaufen, die Wäsche waschen, beim An- und Ausziehen helfen, das Essen geben, zu Arzt- und Therapieterminen begleiten usw.

Sozialhilfe: Wann sind Kinder unterhaltspflichtig?

Kinder müssen dann Unterhalt bezahlen, wenn

  • die Eltern nicht mehr für sich selbst finanziell aufkommen können,
  • die Kinder selbst überhaupt dazu in der Lage sind, die Eltern finanziell zu unterstützen.

Vorsicht: Unterhaltspflichtigen Kindern steht ein Schonvermögen zu. Was Sie alles anrechnen können, lesen Sie bitte hier nach Kinder müssen nicht zwingend für Pflegeheimkosten der Eltern aufkommen.

Fazit Elternunterhalt als Naturalunterhalt

Pflegt und betreut ein unterhaltspflichtiges Kind einen pflegebedürftigen Elternteil in erheblichem Maße, kann zusätzlich zur häuslichen Pflegeleistung vom Sozialhilfeträger nicht auch noch eine Geldleistung verlangt werden.

Die Entbindung von der Unterhaltspflicht funktioniert nur bei Pflege im häuslichen Umfeld. Auch ein Betreutes Wohnen gehört zum häuslichen Umfeld, da die Bewohner rechtlich selbstständig leben.

Wer trotzdem zur Unterhaltsleistung herangezogen wird, sollte sich unbedingt einen Rechtsanwalt nehmen und prüfen lassen, ob die Forderungen berechtigt sind.

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Bildquelle: Canva for Work – free – Copyright: Latino Life