Inkontinenz und Windeln für Erwachsene ist häufig noch ein Tabuthema und mit Schamgefühlen besetzt. Viel zu lange wird oftmals das Benutzen von Inkontinenzmaterial hinausgezogen. Doch wenn das Tragen von Windeln unerlässlich wird, kann dies unter Umständen rasch zu einer teuren Angelegenheit werden. Aber das muss nicht sein. Denn Windeln für Erwachsene können eine Kassenleistung sein.
Das Inkontinenzmaterial für Erwachsene gehört zu den Hilfsmittel und deshalb müssen die Krankenkassen die Kosten für die Einmal-Windeln, Vorlagen, Pants usw. für Patienten übernehmen, die mindestens unter einer mittelgradigen Inkontinenz (Stuhlinkontinenz sowie Harninkontinenz) leiden.
Was ist eine mittelgradige Harninkontinenz?
Im Hilfsmittelverzeichnis (Gruppe 15 – Inkontinenzhilfen) wird als Richtwert für eine mittelgradige Inkontinenz eine Urinabgabe von 100 bis 200 Milliliter innerhalb von 4 Stunden angegeben. Bei einer schweren Inkontinenz wären es sogar über 200 ml innerhalb von 4 Stunden.
Das bedeutet, dass alle Patienten die mindestens 100 ml Urin in 4 Stunden abgeben, das Inkontinenzmaterial von der Krankenkasse bezahlt bekommen. Es fällt lediglich die reguläre Zuzahlung von 10 % der Kosten, jedoch maximal 10 €uro pro Monat an. (Die Zuzahlungspflicht/Mehrkostenanteil gilt natürlich nicht für Personen, die von der Zuzahlung befreit sind).
Warum bezahlen viele Patienten trotzdem die Inkontinenzmittel selbst?
Ich habe schon so oft von pflegenden Angehörigen gehört, dass die Höschenwindeln selbst bezahlt werden oder dass ihnen nur für eine bestimmte Anzahl an Inkontinenzwindeln pro Monat die Kosten erstattet werden. Das ist zum Teil Unwissenheit, zum Teil aber auch falsche Verbraucheraufklärung.
Der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen hat in seinem äußerst lesenswerten Bericht die Thematik sehr gut beleuchtet. Kurz zusammengefaßt liegt die Problematik darin, dass viele davon ausgehen,
- dass Ihnen – wenn überhaupt – nur eine bestimmte Stückzahl an Windeln pro Monat zusteht
- die Krankenkasse nur minderwertige Inkontinenzmittel bezahlen und deshalb von den Lieferanten ein Qualitätszuschlag erhoben wird.
Dem ist jedoch nicht so, wie dem Bericht eindeutig zu entnehmen ist. Auch in einem Beitrag des Selbsthilfeverbandes Inkontinenz wird nochmals explizit davor gewarnt, keine Verträge zu unterschreiben, die zum Beispiel mit “Wunsch auf höherwertige Versorgung” oder als “Qualitätszuschlag” bezeichnet werden.
Stehen dem Patienten nur 4 Windeln am Tag zu?
Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) empfiehlt 4 bis 5 Windeln pro Tag. Wer erwiesenermaßen mehr Windeln benötigt, bekommt diese auch bezahlt, denn darauf hat jeder Patient ein gesetzliches Anrecht (siehe „Gesetzliche Grundlage“).
Sollte die Krankenkasse den Mehrbedarf ablehnen, ist es hilfreich, vom Arzt oder Pflegedienst eine entsprechende Bescheinigung über die Notwendigkeit vorzulegen. Sprechen Sie mit Ihrer Krankenkasse und erläutern Sie die Situation sachlich.
Welche Marken bzw. Produkte werden von den Krankenkassen bezahlt?
Die Krankenkassen bieten eine recht breite Markenvielfalt an Inkontinenzmaterial an. Die genauen Produkte und Marken sind ebenfalls im Hilfsmittelverzeichnis genau geregelt und können hier nachgelesen werden.
Gesetzliche Grundlage zur Kostenübernahme von Inkontinenzmaterial
Der Anspruch auf Hilfsmittel ist im § 33 SGB 5 eindeutig geregelt.
Keine Kostenübernahme für Entsorgung des Inkontinenzmaterials
Wer täglich Inkontinenzmaterial wie Pants usw. benötigt, hat schon sehr viel mehr Müll. Trotzdem muss die Krankenkasse nicht für die Entsorgungskosten der Windeln aufkommen. Die Rechtsprechung sieht das so: Gebrauchtes Inkontinenzmaterial gehört zu den Folgekosten nach dem Gebrauch. Das Gerichtsurteil finden Sie unter dem Aktenzeichen B 3 KR 4/17 R.
TiPP: Einige Gemeinden geben kostenlos oder vergünstigt zusätzliche Müllbeutel für Inkontinenzmaterial aus. Einfach bei der Gemeinde nachfragen.
Wo können die Windeln bezogen werden?
Wenn Sie Inkontinenzmaterial auf Rezept erhalten, bekommen Sie die Produkte in Apotheken oder Sanitätshäusern. Aber auch über das Internet können Sie sich bequem und regelmäßig mit Windeln beliefern lassen. Einfach Rezept einreichen und regelmäßig die Produkte erhalten. Die Lieferung erfolgt diskret.
Antrag auf Windeln für Erwachsene
Windeln auf Rezept – Wie geht das? Inkontinenzmaterial gehört zu den Hilfsmitteln und werden vom Arzt verordnet. Näheres dazu lesen Sie in meinem Beitrag: “So werden Hilfsmittel beantragt.” Einen Musterbrief zum Beantragen für einen erhöhten Bedarf von Windeln finden Sie hier.
Wenn Sie ständig Inkontinenzmaterial benötigen, macht es Sinn, nicht jedes Mal einzeln ein Rezept ausstellen zu lassen. Da macht es Sinn, sich vom Arzt ein Dauerrezept für Windeln ausstellen zu lassen. Die Dauerverordnung für Inkontinenzmaterial läuft in der Regel über mehrere Monate.
Sollte das Hilfsmittel abgelehnt werden, haben Sie die Möglichkeit, Widerspruch gegen die Ablehnung des Hilfsmittels einzulegen.
Fazit
Laut Gesetz sowie Vereinbarungen der Krankenkassen mit den Leistungserbringern gibt es keinen Grund, warum Menschen aufgrund einer mittelgradigen Stuhl- oder Harninkontinenz und einem berechtigten Anspruch mehr als maximal 10 €uro pro Monat für Einmalwindeln zuzahlen müssen.
Tipps zur Beantragung von Windeln für Erwachsene
- Wenn Sie Probleme mit Ihrem Lieferanten haben, weil er höhere Zuzahlungen als gesetzlich vereinbart verlangt, können Sie sich bei Ihrer Krankenkasse beschweren oder nach einem anderen Vertragspartner erkundigen, über den Sie in Zukunft die Windeln zu den gesetzlichen Konditionen beziehen können.
- Nicht nur auf Windeln/Pants besteht ein Anspruch, sondern auch auf kostenlose Pflegehilfsmittel zum Verbrauch.
- Auch dieses Gerichts-Urteil bekräftigt, dass betroffenen Patienten in ausreichendem Maße und in ordentlicher Qualität Einmalwindeln zustehen.
- Es gibt sehr viele verschiedene Inkontinenzmaterialien, die vom Arzt verschrieben werden können. Dies unterscheidet sich in den Materialien aber auch in den Anbietern. Sie müssen nicht die vom Arzt verordneten Produkte nehmen, wenn Sie mit diesen nicht zurecht kommen. Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse, für welche Produkte sie die Kosten übernimmt.
- Wer privat krankenversichert ist, hat Ansprüche gemäß dem abgeschlossenen Tarif.
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FAQ – Häufige Fragen zum Thema Inkontinenz
Wann werden Windeln von der Krankenkasse bezahlt?
Krankenkassen können die Kosten für Inkontinenzhilfen übernehmen, wenn eine Person an einer mindestens mittelgradigen Harn- und/oder Stuhlinkontinenz leidet (Richtwert: mehr als 100ml in 4 Stunden). Damit dies geschieht, sollte eine ärztliche Verordnung vorliegen, die die Diagnose, den verordneten Artikel und die benötigte Menge oder den Versorgungszeitraum angibt. Es ist wichtig, dass die Verordnung auch den Grund für die Notwendigkeit des Hilfsmittels angibt, beispielsweise zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Eine detaillierte Verordnung erleichtert den Prozess der Beschaffung der benötigten Inkontinenzhilfen.
Werden Windeln von der Pflegekasse bezahlt?
Nein, generell werden die Kosten für medizinisch notwendige Inkontinenzhilfen von der Krankenkasse übernommen und nicht von der Pflegekasse, unabhängig vom Pflegegrad der betroffenen Person.
Inkontinenzartikel wie Windeln gehören zu den Verbrauchshilfsmitteln und sind im Hilfsmittelverzeichnis und Hilfsmittelkatalog aufgeführt. Gemäß Paragraf 33 des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf einen finanziellen Zuschuss zu den Kosten für Inkontinenzwindeln.
Welche Inkontinenzprodukte zahlt die Krankenkasse?
Die Krankenkasse übernimmt in der Regel die Kosten für medizinisch notwendige Inkontinenzprodukte, die im Hilfsmittelverzeichnis und Hilfsmittelkatalog aufgeführt sind. Hierzu zählen beispielsweise Einlagen, Vorlagen, Windeln, Pants, Bettschutzeinlagen und Urinbeutel.
Die genauen Bedingungen für die Kostenübernahme können jedoch je nach Krankenkasse und Bundesland variieren. Eine ärztliche Verordnung ist in der Regel erforderlich, in der die Diagnose und die benötigten Produkte vermerkt sind. Es empfiehlt sich, sich vor der Beschaffung von Inkontinenzprodukten bei der Krankenkasse über die genauen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme zu informieren.
Was ist eine mittelgradige Inkontinenz?
Eine mittelgradige Inkontinenz bezeichnet eine Form von Harn- oder Stuhlinkontinenz, bei der zwischen 100 und 200 Milliliter Urin bzw. Stuhl in einem Zeitraum von 4 Stunden unfreiwillig ausgeschieden werden. Im Vergleich dazu gilt eine leichte Inkontinenz bei einer Menge von unter 100 Millilitern und eine schwere Inkontinenz bei einer Menge von über 300 Millilitern als gegeben. Eine genaue Einschätzung und Diagnose der Inkontinenzstärke sollten jedoch immer von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt werden. Die Richtlinie dafür ist eine mittelgradige Inkontinenz – was bedeutet, dass innerhalb von 4 Stunden 100–200 Milliliter Urin abgegeben werden. Liegt dieser Wert darüber, spricht man von einer schweren Inkontinenz. In diesen Fällen trägt die Krankenkasse die vollen Kosten abgesehen von einem monatlichen Eigenanteil von maximal 10 Euro.
Kann der Hausarzt Inkontinenzeinlagen verschreiben?
Ja, Inkontinenzeinlagen können vom Hausarzt verschrieben werden. Durch das Ausstellen eines Inkontinenz-Rezepts können Ärzte und Ärztinnen ihren Patienten und Patientinnen eine erhebliche finanzielle Entlastung ermöglichen. Auf Rezept sind zum Beispiel Inkontinenzeinlagen, Vorlagen, Windeln und Windelhöschen (Inkontinenz-Pants) erhältlich.
Andere gängige Bezeichnungen für Windeln
Windelhosen, Windelslips, Windeln für Erwachsene, Höschenwindeln, Inkontinenzslips, Inkontinenzwäsche, Inkontinenzwindeln, Inkontinenzschutz, Inkontinenzmaterial, Einmalwindeln, Einmalhosen, Sicherheitsslips, Inkontinenzartikel, Inkontinenzmittel, Pants
Quelle für diesen Beitrag: Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen
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Quelle Bildmaterial: Fotolia #111506702 © laboko
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Gemeinsam mit seiner Frau betreut Otto Beier seit 2012 seine pflegebedürftigen Eltern und Schwiegereltern. Er gibt Insider-Tipps für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen und schreibt als Pflegender – direkt von der Front – über seine Erfahrungen mit dem Pflegedschungel.
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