
Orientierungsverlust bei Demenz - Ursachen verstehen und Sicherheit schaffen

Das Wichtigste in Kürze
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Orientierungsverlust gehört zu den häufigsten Symptomen von Demenz. Betroffene verlieren zeitliche und räumliche Orientierung.
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Sicherheit und Struktur sind essenziell. Klare Tagesabläufe und vertraute Umgebungen helfen, den Betroffenen zu stabilisieren.
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Unterstützung reduziert Stress. Verhaltensweisen frühzeitig zu erkennen und gezielt zu handeln, entlastet Angehörige.
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Technische Hilfsmittel können helfen. GPS-Ortung oder Notrufsysteme bieten zusätzliche Sicherheit.
So gehen Sie vor
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Wohnumfeld anpassen: Vermeiden Sie Stolperfallen und stellen Sie Orientierungshilfen wie große Uhren oder beschriftete Türen bereit.
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Tagesstruktur schaffen: Halten Sie feste Routinen für Mahlzeiten, Aktivitäten und Ruhezeiten ein, um Sicherheit zu vermitteln.
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Geduld bewahren: Sprechen Sie langsam und ruhig. Wiederholen Sie Informationen sanft und ohne Druck.
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Vertrautes fördern: Integrieren Sie persönliche Gegenstände oder Fotos, die Erinnerungen wecken und beruhigen.
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Hilfsmittel nutzen: Setzen Sie GPS-Geräte oder mobile Notfallsysteme ein, um im Notfall schnell reagieren zu können.
Verlust der räumlichen Orientierung
Orientierungsverlust in 4 Lebensbereichen: Ein Orientierungsverlust bei dementen Menschen bedeutet nicht nur, dass sie nicht mehr wissen, so sie sind. Demente verlieren auch die zeitliche Orientierung, die Ausrichtung zu sich selbst und zu bekannten Situationen.
Ein Verlust der Orientierung ist eine Gedächtnisstörung, welche die Demenzerkrankung mit sich bringt. Der Orientierungsverlust bezieht sich auf
- Die Orientierung der Zeit.
- Die Orientierung von Ort und Raum.
- Die Orientierung von Situationen
- Die Orientierung zur eigenen Person, zu anderen Personen und zum eigenen Körper.
Was bedeutet das nun konkret für die Betroffenen? Nehmen wir zunächst die Orientierung im Raum:
Wenn wir räumlich orientiert sind, wissen wir erst einmal, wo wir uns befinden. Müssen wir irgendwohin, kennen wir zum einen den Weg dorthin und wir wissen zum anderen auch, wie wir wieder zurückkommen. Wenn wir einmal gelernt haben, wo bei uns die Toilette ist, werden wir immer wieder hinfinden. Ebenso z.B. das Hotelzimmer im Urlaub oder der Weg zu Freunden, Verwandten etc.
Einem an Demenz Erkrankten wird das nicht gelingen. Er wird unter Umständen in der eigenen Wohnung, im eigenen Haus, in dem er schon seit Jahrzehnten lebt, die Toilette nicht mehr finden. Dasselbe kann beim Verlust der räumlichen Orientierung dann natürlich auch bei anderen Räumen, wie Küche, Schlafzimmer etc. passieren. Der/die Betroffene hat die Orientierung im Raum verloren.
Verlust der zeitlichen Orientierung
Wir Gesunde schauen auf die Uhr, lesen dort z.B. 11:30 Uhr und wissen dann, dass in einer halben Stunde Mittagspause ist. Wenn jemand zu uns sagt „in 5 Minuten geht´s los“, dann haben wir ein Gespür dafür, wie lange fünf Minuten sind. Ein Mensch mit Demenz ist hier nicht mehr orientiert.
Beim Verlust der zeitlichen Orientierung kann sich der Betroffene fünf Minuten eben nicht mehr vorstellen, diese Zeitspanne ist für ihn nicht mehr greifbar. Da können dann auch vermeintlich sehr paradoxe Dinge passieren:
Ein Betroffener sieht im Winter aus dem Fenster, bemerkt, dass die Sonne scheint und beschließt, spazieren zu gehen. Er tut dies dann in T-Shirt, kurzen Hosen und Sandalen bei Minus 10 Grad. Ihm fehlt die Orientierung in der Zeit, in diesem Fall in der Jahreszeit.
Und dann fragen wir uns möglicherweise außerdem noch „wie kann denn das sein, dass da ein alter Mensch bei dieser Kälte kurzärmlig und in Sandalen rumläuft? Spürt der denn nicht, dass es kalt ist, friert er nicht? Warum zieht er sich nichts an? Warum geht er nicht ins Haus?“
Die Antwort lautet ganz klar: Doch! Ein dementiell Erkrankter spürt sehr wohl Kälte und Schmerz etc. – ebenso wie wir Gesunde. Es fehlt lediglich die Fähigkeit zur Abstraktion, zum verknüpften Denken und Handeln. Also die Fähigkeit, zu erkennen, was ich tun muss, damit dieses komische Gefühl, dieser Schmerz, das Zittern aufhört. Der Betroffene weiß nicht, dass er sich etwas überziehen oder nach drinnen gehen muss.
Lese-TiPP: Demenz verstehen – Teil 5: Wenn demente Menschen Schmerzen äußern
Ein Demenzkranker verliert auch den Bezug zu den Wochentagen und Monaten. Das ist dann der Grund, warum er sonntags in die Apotheke will.
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Verlust der situativen Orientierung
Was bedeutet es, wenn ein Mensch mit Demenz die Orientierung zur Situation verliert?
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einer Gemeinschaft, sei es Familie, ein Vortrag, eine Theaterveranstaltung etc. und eine Person steht auf, verlässt den Raum und kommt nach ein paar Minuten wieder. Sie als Gesunde werden höchstwahrscheinlich denken „ah, der- oder diejenige war bestimmt auf der Toilette und jetzt kommt er/sie eben wieder rein.“
Ein Mensch mit Demenz, der die Orientierung in der Situation verloren hat, wird dieses Verhalten in eben dieser Situation nicht zuordnen können und auch nicht verstehen.
Ein zweites Beispiel: Ein Betroffener sieht jemanden sich gegenübersitzen, der mit einem „schmalen kleinen Stöckchen komische Zickzack-Bewegungen auf einer weißen Fläche macht“. Er kann nicht zuordnen, dass diese Person etwas schreibt, nicht einordnen, was diese Situation, diese Handlung zu bedeuten hat. Beim Verlust der situativen Orientierung kann er nicht verstehen, was da um ihn herum passiert.
Wenn nun besonders viele Menschen zusammen sind, wird es auch entsprechend viele Situationen geben, die der Erkrankte vielleicht nicht zuordnen und auch nicht verstehen kann. Das kann dann eine große Belastung sein und sehr viel Stress verursachen. Erkrankte können in solchen Situationen unruhig werden, sich sichtlich nicht wohlfühlen. Auch wenn „Mama“ oder „Papa“ doch immer so gesellig war!
Hier können Sie als Angehörige sehr entlastend agieren und solche Situationen zum Wohle des Betroffenen eher meiden.
Verlust der Orientierung zur eigenen Person
Wenn der Betroffene sich selbst nicht mehr im Spiegel erkennt: Dazu habe ich selbst ein sehr tragisches Beispiel erlebt: Ein alter Herr, an Demenz erkrankt, der zu Hause von seiner Frau versorgt wird, geht morgens nackt ins Bad, um sich zu waschen und ….. da ist doch tatsächlich ein anderer nackter Mann im Bad. Seine Schlussfolgerung ist, dass seine Frau fremdgeht. Also geht er zu ihr in die Küche und schlägt sie.
Was war passiert? Er hat sich selbst im Spiegel nicht mehr erkannt!
Lese-TiPP: Demenz verstehen – Teil 3: Was tun, wenn Oma schreit, kratzt und schlägt
Das ist übrigens auch immer wieder der Grund dafür, dass an Demenz erkrankte Menschen plötzlich inkontinent werden. Sie gehen zur Toilette, dort hängt in den meisten Fällen ein Spiegel an der Wand, sie schauen in den Spiegel, sehen eine fremde Person und denken, die Toilette ist besetzt. Sie verlassen den Raum, gehen möglicherweise zu einer weiteren Toilette in der Wohnung und auch die ist „besetzt“. Und irgendwann geht das dann im wahrsten Sinne des Wortes „in die Hose“.
Versuchen Sie dazu eine sehr einfache Lösung: Verhängen Sie Spiegel in der Wohnung mit Tüchern oder nehmen sie sie gleich ganz von der Wand. So können Sie möglicherweise schnell und ohne großen Aufwand ein „Problem“ beseitigen und eine Situation entschärfen.
Häufige Fragen zu Orientierungsverlust bei Demenz
Orientierungsverlust bei Demenz umfasst den Verlust der Fähigkeit, sich in verschiedenen Lebensbereichen zurechtzufinden. Dies betrifft die zeitliche, räumliche, situative sowie die persönliche Orientierung, die im Verlauf der Erkrankung verloren gehen können.
Demenzkranke Menschen können die Orientierung zur Zeit, zum Raum, zur Situation und zur eigenen Person verlieren. Dies zeigt sich z. B. darin, dass sie sich nicht an den aktuellen Tag erinnern können, sich in der Wohnung verlaufen, oder ihre eigene Reflexion im Spiegel nicht mehr erkennen.
Menschen mit Demenz haben Schwierigkeiten, Zeiträume zu erfassen. Sie können das Konzept von Minuten und Stunden nicht mehr greifen, verwechseln Tageszeiten und Jahreszeiten und können den Unterschied zwischen Wochentagen nicht mehr nachvollziehen.
Der Verlust der räumlichen Orientierung führt dazu, dass Demenzkranke vertraute Orte wie die Toilette oder das Schlafzimmer nicht mehr wiedererkennen. Sie wissen nicht, welchen Weg sie gehen müssen und verlieren oft die Orientierung selbst in den eigenen vier Wänden.
Der Verlust der situativen Orientierung bedeutet, dass Menschen mit Demenz alltägliche Handlungen und Situationen nicht mehr verstehen. Sie können zum Beispiel nicht nachvollziehen, was Menschen um sie herum tun oder warum bestimmte Aktionen ausgeführt werden.
Der Verlust der Orientierung zur eigenen Person führt dazu, dass Demenzkranke sich selbst im Spiegel nicht mehr erkennen oder nicht mehr wissen, wer sie sind. Dies kann zu Missverständnissen und sogar aggressiven Reaktionen führen, wenn sie sich z. B. vor „Fremden“ im Spiegel erschrecken.
Ja, einfache Maßnahmen wie das Anbringen von Piktogrammen, das Verhängen von Spiegeln oder das Einrichten klar strukturierter Tagesabläufe können helfen, Demenzkranken Orientierungshilfe zu bieten und sie im Alltag zu unterstützen.
Geduld und ein geregelter Tagesablauf helfen Demenzkranken, sich sicherer zu fühlen. Kleine, bildliche Orientierungshilfen und das Vermeiden von Überforderung durch zu viele Umgebungsreize können ebenfalls Entlastung bringen.
Ja, der Verlust der Orientierung kann dazu führen, dass Demenzkranke sich in gefährlichen Situationen wiederfinden, z. B. draußen nicht mehr nach Hause finden oder sich unpassend kleiden. Deshalb ist es wichtig, Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, um das Risiko zu minimieren.
Ja, Pflegedienste, Tagespflegen und ambulante Betreuungsangebote sind darauf geschult, mit den Orientierungsproblemen von Demenzkranken umzugehen und Angehörige zu entlasten.
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0 Kommentare zu „Orientierungsverlust bei Demenz ✔️ Ursachen verstehen und Sicherheit schaffen“
Sie könnten sie beruhigen und sagen, dass ihr Wunsch sicher bald in Erfüllung geht.
Meine Mutter ist 83, dement und Witwe. Auch sie spricht bei jedem Besuch vom sterben und wie lange sie noch leben muss. Ich sage ihr, dass ich sie verstehe und dass ich nicht weiß,wie lange sie noch lebt. Dann sagt sie meistens lächelnd: Du bist ja auch keine Hellseherin. Und schon ist die Situation gemeistert.
Hallo, meine an Demenz erkrankte 94jährige Mutter spricht ständig davon, dass sie sterben will. In diesen Situationen bin ich hilflos, wie sollte man darauf reagieren?
Bei Demenz werden immer wieder neue Situationen und für pflegende Angehörige neue Fragen auftauchen. Es gibt speziell für Angehörige von Demenzkranken Selbsthilfegruppen. Aber auch die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bietet Ihnen Unterstützung zum Beispiel in Form eines Alzheimertelefons. Ich denke, das wären für Sie die idealen Anlaufstellen.